Virginie Despentes
Das Leben des Vernon Subutex

Roman
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz

Tipp von Frank Heibert
Der Westen ist ins Wanken geraten, und alles Nachdenken über konstruktive Auswege wankt hinterher. Da hilft manchmal nur eins: herzhaftes Abkotzen über die Gesellschaft, die den Nährboden für die Krise liefert. Die Französin Virginie Despentes seziert in Das Leben des Vernon Subutex die Pariser Kulturfauna: Der Loser Vernon, auf der Straße gelandet, wirkt auf die „alten Freunde“, die er nacheinander anschnorrt, als Brennglas für ihre eigene Lebenslage. Despentes lässt ihre Figuren räsonieren, jammern, ätzen, und Claudia Steinitz gestaltet auf Deutsch die verschiedenen Tonlagen rasant und zum Gruseln glaubwürdig. Der Clou: Immer wenn die Tiraden an Houellebecq erinnern, macht die Autorinnenfeder aus Machogewinsel die satirische Kritik daran. Das Antidot gegen weihnachtliche Gefühlsduselei!

Kiepenheuer und Witsch 2017. 400 S. 22 Euro
In der Buchhandlung Ihres Vertrauens (oder bei Amazon, buecher.de)


Zygmunt Bauman
Das Vertraute unvertraut machen

Ein Gespräch mit Peter Haffner

Tipp von Sieglinde Geisel
Zygmunt Bauman (1925-2017) ist ein Moralist, der nicht moralisiert. „Alles, was wir tun, wirkt sich auf das Leben anderer Menschen aus.“ Solche einfachen und zugleich schwierigen Wahrheiten durchziehen das Gespräch, das Peter Haffner mit Bauman ein halbes Jahr vor dessen Tod geführt hat. Man kann dieses Buch jedem Menschen schenken, denn es geht jeden etwas an – und es ist ein Lesevergnügen. Ein wacher Zeitgenosse spricht über Arbeit, Liebe, Politik. Die entscheidende Frage sei: „Wie macht man die Welt frisch?“

Hoffmann und Campe 2017, 192 S., 20 Euro
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Uwe Kopf
Die elf Gehirne der Seidenspinnerraupe

Roman

Tipp von Lars Hartmann
Ein Roman, der an Max Goldt und Sven Regener denken lässt, nur melancholischer im Ton und mit einem tieftraurigen Ende. Uwe Kopf, der Purist und Stilist, hätte solche Formeln verabscheut, aber manchmal zeigen Signalwörter die Tendenz an. Kopfs erster und einziger Roman – der Autor starb im Januar 2017 mit 59 Jahren an Krebs – beginnt mit dem Selbstmord des Protagonisten Tom und führt uns sodann rückblickend ins Leben einer gescheiterten Existenz: ein 40jähriger Mann, der nichts auf die Reihe bekommt, weder in der Arbeit noch in der Liebe, und dazu etwas Hamburger Lokalkolorit. Weshalb das die Leser interessieren soll? Weil Uwe Kopf uns diesen Tom zugleich komisch genug und hinreichend tragisch schildert: Milieugeschichten ohne Sentimentalität. Gerade wegen des lakonischen, genauen Stils wirkt diese Geschichte.

Hoffmann & Campe 2017, 320 S., 22 Euro
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Der Silberlöffel
Die Bibel der italienischen Küche

Vollständige Neuausgabe

Tipp von Agnese Franceschini
Diese Bibel der italienischen Küche ist in nahezu jedem italienischen Haushalt zu finden. Die erste Ausgabe ist 1950 erschienen und noch von der bäuerlichen Kultur Italiens geprägt. Als 2006 die deutsche Übersetzung erschien, hatte sich das Buch parallel zur italienischen Gesellschaft weiterentwickelt.
Zweitausend Rezepte zum Probieren oder auch einfach zum Lesen, als Fantasiereise in die italienische Küche! Dazu gibt es fünf Menüs für „Besondere Anlässe“: „In manchen Teilen Süditaliens ist es üblich, an Heiligabend ein Menü mit sieben verschiedenen Fischsorten zu servieren. Manche nennen das katholischen Fleischverzicht!“

Phaidon by Edel, 2011, 1464 S., 39,95 Euro
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Heinrich Böll
Nicht nur zur Weihnachtszeit

Erzählungen

Tipp von Herwig Finkeldey
In Bölls Satiresammlung findet sich unter anderem Dr. Murkes gesammeltes Schweigen, eine Mediensatire, die, den damaligen Umständen entsprechend, in einem Funkhaus angesiedelt, jedoch problemlos auf heute zu übertragen ist. Es geht um das ewige Gedudel der Medien, das nie unterbrochene Maschinengewehrfeuer der neusten Nachrichten – und um eine Besinnung über falsche Besinnlichkeit. Denn das Einzige, was gegen Weihnachtstrubel und Medienzirkus hilft, sind die Tonbandschnipsel der Murkeschen Sprechpausen, sein durch die physiologische Notwendigkeit des Atmens hervorgerufenes Schweigen.

dtv 1992, 160 S., 8,90 Euro
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Péter Nádas
Aufleuchtende Details

Memoiren eines Erzählers
Aus dem Ungarischen von Christina Viragh

Tipp von Jörg Plath
Alle Bücher von Péter Nádas sind Bewusstseinsromane, aber so persönlich war noch keines. In Aufleuchtende Details breitet der große ungarische Schriftsteller sein Innerstes aus: seine Art zu denken, zu fühlen, zu verstehen. In den monumentalen „Memoiren eines Erzählers“ folgt er den Assoziationsketten bis in die entferntesten Gefilde, in schmerzhafter Intensität ruft er hundert Jahre persönlicher und familiärer Geschichte auf. Es ist ein Jahrhundert der Ideologien, und es mündet in den Bankrott jeden Sinns nach Auschwitz und Gulag. Am Ende steht der 14-Jährige als beinahe letzter Spross einer einst großen Familie in einer Demonstration der ungarischen Revolution 1956. Dann kommen die sowjetischen Panzer.

Rowohlt 2017, 1280 Seiten, 39,95 Euro
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Heiner Boehncke/Hans Sarkowicz und Joachim Seng
Monsieur Göthé
Goethes unbekannter Großvater

Tipp von Knud von Harbou

Es ist ein besonderes Stück Kultur- und Sozialgeschichte, die das bewährte Autorenteam gefunden hat. Bislang war Goethes Großvater ein weißer Fleck in der Literaturgeschichte. Sein Enkel verbannte den wohlhabenden „verdammten Schneider“ und Hotelier sogar in „Dichtung und Wahrheit“. Dabei hätte Goethes Karriere ohne die ungewöhnliche Erfolgsgeschichte des Großvaters nie stattgefunden.

 

 

Die Andere Bibliothek 2017, 400 Seiten, 42 Euro
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Mary Beard
SPQR

Die tausendjährige Geschichte Roms
Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff

Tipp von Anselm Bühling
SPQR steht für Senatus PopulusQue Romanus, „Senat und Volk von Rom“. Die Oxforder Althistorikerin Mary Beard hat diese Abkürzung als Titel für ihre Geschichte des Römischen Reiches gewählt. Der Name ist Programm: Das Buch schildert die politische Geschichte Roms ebenso wie Alltagsleben und Gesellschaft „Es ist ein gefährlicher Mythos, dass wir bessere Historiker seien als unsere Vorgänger. Das stimmt nicht“, so Beard im Vorwort. „Aber wir gehen mit anderen Prioritäten an die römische Geschichte heran – von Gender-Identität bis zur Nahrungsversorgung –, die diese antike Vergangenheit in einer neuen Ausdrucksweise zum Sprechen bringen.“ Für alle, die darauf neugierig sind, ist dieses Buch ein Geschenk.

S. Fischer 2016, 656 S., 28 Euro
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Bildnachweis:
Beitragsbild: Herrad von Landsberg (12. Jh.): Hortus Deliciarum – Die Geburt Christi
[Public domain], via Wikimedia Commons
Buchcover: Verlage

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Von Redaktion

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