„It’s full of spooks down there.“ Was sind spooks, und wie sagt man das auf Deutsch?
In „Frank“ begegnet Richard Fords Romanheld Frank Bascombe nacheinander vier Menschen, die alle die Vergangenheit auf merkwürdige Weise in die Gegenwart holen. In der zweiten Geschichte Könnte alles schlimmer sein hat er überraschenden Besuch von einer schwarzen Frau, die er von Kleidung und Ausstrahlung her der Mittelschicht zuordnet und zunächst für die Klinkenputzerin einer schwarzen Kirchengemeinde hält. Wie sich herausstellt, hat diese Frau ihre Kindheit in seinem jetzigen Haus verlebt und möchte noch einmal hinein.

Frank Bascombe gehört zu der Generation weißer Männer im Rentenalter, die mit der Rassentrennung und -diskriminierung als Normalzustand aufgewachsen sind; er hat Obama gewählt, macht sich aber keine Illusionen über die Gräben, die die Rassen bis heute in den USA trennen. Er möchte nichts falsch machen und fühlt sich seiner Besucherin gegenüber auf dünnem Eis, die ganze Zeit. Die schwarze Besucherin verbindet vor allem mit dem Keller des Hauses schlimme Erinnerungen. Frank sagt – mit empathischer Absicht:

It’s full of spooks down there

und kommentiert sich in Gedanken gleich:Not ideal.

Das Problemwort ist spooks. In der ersten Bedeutung heißt es so viel wie Gespenster, Schreckgeister. Was man in einem Keller so erwartet. In einer weiteren Bedeutung ist es aber ein mitteldrastisches Schimpfwort für Schwarze – und das mögliche Missverständnis ist in der Tat „nicht ideal.“ In meiner Übersetzung hatte ich mich letztlich für die erste Bedeutung entschieden, die Frank ja (quasi unschuldig) gemeint hat:

Da unten wimmelt es von Gespenstern.

Auch für sich genommen ist das keine ideale Antwort, wenn die Frau gleich die Kellertreppe runtergehen will.

Aber es hat mich doch gewurmt. Und als dann der Kritiker Hannes Stein in einem Interview mit Ford die Übersetzung lobte und anmerkte, bei spooks sei mir ja nur die Kapitulation vor einem unlösbaren Wortspiel übriggeblieben, da hab ich die Maschine nochmal angeworfen. Schließlich steht die 2. Auflage kurz bevor.

Wie kriege ich die Verbindung zwischen dem Schreckbild und dem Rassenthema hin?

Da unten darf man aber keine Angst vorm Schwarzen Mann haben

war mir zu zaunpfahlwinkend. Dann fielen mir irgendwann die „schwarzen Schatten“ ein. Die assoziiert man erstmal mit einer negativen, beängstigenden Vergangenheit, das passt also für die eine Bedeutungsebene. Und durch den Nachsatz „Nicht ideal“ wird man erst darauf gebracht, dass es in dieser spezifischen Situation auch ein Missverständnis geben könnte. So wie Frank erst im Nachklapp auffällt, was er mit spooks gesagt, wenn auch nicht gemeint hat.

Da unten wimmelt es von schwarzen Schatten.

Ja, das fand ich dann auf ideale Weise „Nicht ideal“.

Angaben zum Buch
Richard Ford
Frank.
Roman.
Aus dem Englischen von Frank Heibert.
Hanser-Verlag, 2015 · 224 Seiten · 19,90 Euro
ISBN-13: 978-3446249233
Bei Amazon oder buecher.de
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Bildnachweis: Keller (torange.biz) / CC BY 4.0
Buchcover: Hanser Verlag

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Von Frank Heibert

Übersetzer, unter anderem von Don DeLillo, Willam Faulkner, George Saunders, Lorrie Moore, Boris Vian, Yasmina Reza und Richard Ford. 2006 erschienen sein erster Roman „Kombizangen“ und das Jazz-Album „The Best Thing on Four Feet“ (zusammen mit der Jazz-Combo Finkophon Unlimited).

3 Kommentare

  1. Thierry Borel 8. Mai 2025 um 11:09

    Ich habe diesen Text erst jetzt gelesen. Dabei ist mir eingefallen, was im «Menschlichen Makel» von Philip Roth die Handlung in Gang bringt: Ein Literaturprofessor fragt nach zwei Studenten, die noch nie an seinen Vorlesungen erschienen sind und deshalb vielleicht spooks seien. Er meint damit Geister, denn er weiss nicht, dass die Studenten schwarz sind. Roth hat sich am Beispiel eines Freundes orientiert. Dieser hatte zwei abwesende Studenten als spooks bezeichnet, ohne zu wissen, dass sie schwarz waren. Dies löste eine Hetzjagd auf ihn aus.

    In Wikipedia steht zur Übersetzung Folgendes: Der deutsche Übersetzer Dirk van Gunsteren wies im Vorwort des Romans darauf hin, dass das Wortspiel um Coleman Silks vermeintlich rassistische Bemerkung nicht übersetzbar war. Im englischen Original verwendete Roth den Begriff „Spooks“, der sich als „Gespenster“ übersetzen lässt, aber bis in die 1950er Jahre auch eine abfällige Bezeichnung für Schwarze war. Um die Zweideutigkeit des originalen Ausdrucks ins Deutsche zu retten, wich van Gunsteren auf die Phrase „dunkle Gestalten“ aus.[6]

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  2. Frank Heibert 8. Mai 2025 um 11:26

    Lieber Thierry Borel, danke für den Hinweis, das ist interessant (ich hatte diesen Auslöser aus Roths Roman nicht mehr im Kopf). Bei Roth (und vielleicht auch bei Ford) ist die eigentlich zunächst „unschuldig“ gemeinte Verwendung von „spooks“ ein bisschen gewollt, ehrlich gesagt, so als deutliche Plattform für das Wortspiel und die daraus erwachsende Problematik. Wie plausibel ist es, dass ein Professor nicht erscheinende Studierende als „spooks“ bezeichnet? Das ‚Geisterhafte‘ im Englischen umfasst ja meines Wissens noch nicht die Unterbedeutung „Karteileiche“. Ähnlich herbeigezogen als Kompromiss erscheint mir „dunkle Gestalten“, denn auch das würde in dieser Situation kaum ein Professor sagen. Beim Drübernachdenken fiel mir eher ein anderer Weg ein, hier ein riskantes Wortspiel zu machen, das dann vielleicht auch einen Shitstorm auslösen könnte. „Ich überlege schon die ganze Zeit, ob ich sie auf die Schwarze Liste setzen soll.“ … Auch kein direktes rassistisches Schimpfwort, aber zumindest etwas plausibler als „dunkle Gestalten“ und durchaus als ‚unschuldig verwendbar‘ vorzustellen.

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  3. Thierry Borel 9. Mai 2025 um 10:43

    Vielen Dank, Herr Heibert. Die Sache ist wirklich schwierig. Rein spielerisch (als pensionierter Bundesangestellter ohne jeglichen Bezug zum literarischen Übersetzen) habe ich mir überlegt, ob es heissen könnte, „ist es Schwarze Magie oder ein harmloser Zauber, der die beiden verbirgt?“. Das wäre unbeholfen. – Was die Glaubhaftigkeit anbelangt: Offenbar hat es so einen Vorfall tatsächlich gegeben. Zu einer Fehlinterpretation (von nun an Wikipedia) veröffentlichte Roth im September 2012 einen Brief im New Yorker, …. Der Auslöser für den Roman sei ein Erlebnis seines Freundes Melvin Tumin gewesen, eines Soziologieprofessors in Princeton, der in seiner Soziologie-Klasse im Herbst 1985 denselben Ausspruch getätigt habe, den er im Roman Coleman Silk in den Mund legte. Ungeachtet einer langen akademischen Karriere, in der er sich gerade auch als Spezialist zu Rassenfragen einen Namen gemacht hatte,sah sich Tumin wie Silk einer Hexenjagd ausgesetzt und musste sich mit mehreren Erklärungen gegen den Vorwurf der „Hate Speech“ verteidigen.
    Freundliche Grüsse

    In der vollen Dramatik wurde Roths Einspruch und Korrektur hier dargestellt:
    https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article109112546/Philip-Roth-und-sein-bizarrer-Streit-mit-Wikipedia.html

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