Das dritte Gedicht hebt sich mit nur fünf Schriftzeichen pro Zeile formal von den anderen ab. Hier die Originalfassung mit Interlinear-Übersetzung (bitte auf die jeweilige Zeile klicken):
Erneut finden sich im dritten Verspaar zwei Anspielungen: Die erste bezieht sich auf Kaiser Wudi der Han-Dynastie, dem wir schon im ersten Gedicht begegnet sind. Nachdem dieser einen „Pavillon zur Anlockung der Geister“ errichtet hat, besucht ihn eine Fee und überlässt ihm eine Haarspange aus Jade. Der Kaiser schenkt sie einer Konkubine, die jedoch später aufgrund einer Intrige seine Gunst verliert und mutmaßlich von ihm zum Selbstmord gezwungen wird (ähnlich wie Fu Fei alias Zhen Luo, auf die im zweiten Gedicht angespielt wird). Unter Wudis Nachfolger findet jemand ihre Spange im Palast, und man beschließt, die Spange zu zerbrechen, doch als am nächsten Tag das Kästchen vor dem Kaiser geöffnet wird, ist darin nur eine weiße Schwalbe zu sehen, die gen Himmel entfliegt.
Der sechste Vers spielt auf die Legende eines Königs an, der eines Tages in den Bergen einen weiblichen Phönix fängt. Er liebt diesen Vogel über alles und wünscht, dass er singen möge. Der Vogel jedoch bleibt drei Jahre lang stumm, obwohl der König ihn in einem goldenen Käfig hält und mit erlesenen Speisen verwöhnt. Da sagt seine Frau, sie habe gehört, dass Vögel nur dann riefen, wenn sie ihresgleichen sähen, warum er nicht einen Spiegel vor ihn hin stelle? Der Mann befolgt ihren Rat, und als der Phönix sein Spiegelbild erblickt, stößt er einen herzzerreißenden Schrei aus, schlägt mit den Flügeln und stirbt.
Beide Geschichten dienen im Gedicht als Bild für die Einsamkeit der verlassenen Frau. Spätestens der Pferdesattel im letzten Vers dieses Gedichts macht jedoch deutlich, dass hier, anders als in den ersten beiden Gedichten (hier und hier), der Blickwinkel des Mannes bestimmend ist. Darin könnte auch der Grund liegen, weshalb der Dichter eine andere Form gewählt hat, denn fünf ist im Unterschied zu sieben eine männliche Zahl. Zudem ist der Fünfwort-Vers älter als der Sieben-Wort-Vers und wirkt deshalb archaischer, rauer und auch näher an der Umgangssprache.
Die erste Hälfte des Gedichts evoziert eine Szene vor einem Freudenhaus. Der Mann trifft sich noch einmal mit seiner Geliebten, vielleicht in einem Wandelgang, am Geländer einer Brücke, oder sie zeigt sich ihm bloß auf dem Balkon, doch scheut er sich, das Haus zu betreten und möchte nicht mehr mit ihr gesehen werden. Er lässt sie allein und reitet in der Morgendämmerung heimwärts. Der Vorhang, der sich im zweiten Gedicht für die Liebe geöffnet hatte, wird nicht mehr durchschritten, und in den Weihern blühen keine Blumen mehr, wobei Hengtang, hier mit „über den Weihern“ übersetzt, auch als Ortsname vorkommt und ein altes Vergnügungsviertel in der südchinesischen Kaiserstadt Nanjing bezeichnet.
eine letzte Begegnung spät in der Nacht am Geländer.
Geräusche im Haus – die Scheu, hinauf zu steigen,
sich durch den Vorhang in Licht und Lärm zu wagen.
Welch eine Schmach für die Schwalbe auf ihrer Spange!
Wie beschämend für die Phönixdame im Spiegel!
Zur Heimkehr dämmert über den Weihern der Tag.
Ein funkelnder Stern weist dem schmucken Sattel den Weg.