Den Anstoß für diese Debatte zwischen dem Übersetzer Frank Heibert und Sieglinde Geisel war der Page 99 Test zu Christian Krachts Die Toten:
Die Bewertungskriterien greifen zu kurz
Frank Heibert – Kommentar vom 12.9.2016
Sieglinde Geisels Page-99-Test verlockt mich zu zwei Kommentaren, einmal bezogen auf den Page-99-Test an sich, einmal auf das Beispiel Kracht / Die Toten.
Den Page-99-Test finde ich faszinierend in seiner Verspieltheit, nützlich darin, dass er wegen seiner Fragmentiertheit dazu zwingt, auf die sprachlichen Elemente des Auszugs zu schauen, statt sich an Handlungs-, Kompositions- oder Themenfragen aufzureiben – und riskant darin, dass er dazu verführt, das Große und Ganze eines literarischen Werks, da man anhand einer Seite wenig darüber sagen kann, auch nur als Möglichkeit auszublenden, als eventuelle Relativierung der aus der Ein-Seiten-Analyse gewonnenen Erkenntnisse. In den Page-99-Tests der letzten Monate haben mich, gerade wenn ich zufällig auch das ganze Werk kannte, sowohl verblüffend schlagende Beobachtungen beeindruckt wie auch verblüffend danebengegriffene Beurteilungen, die vermutlich mit der konzeptionellen Scheuklappe des „Nur-eine-Seite-Anschauens“ zu tun hatten (z. B. bei Shumona Sinhas Erschlagt die Armen).
Nun zum Kracht-Test. Vorweg: Ich kenne den ganzen Roman nicht und bin kein besonderer Kracht-Freund. Es geht mir also nicht darum, dieses Buch gegen Sieglinde Geisels Urteil zu verteidigen. Ich finde aber, ihr Ansatz, die stilistischen Mittel quasi wortwörtlich abzuklopfen, macht sich grundsätzlich angreifbar. Kann sich ein ganzer Raum in einem an der Nase hängenden Tropfen spiegeln? Kann ein Niesen wie ein Taifun nach vorn blasen? – Ja, natürlich können sie das, wir haben es mit Literatur zu tun, die erst einmal alles kann und darf (und derlei Übertreibungen kommen auch beileibe nicht nur im Däumlingsmärchenkontext vor). Zwei andere, präzisere Fragen erscheinen mir interessanter: Welche literarische Wirkung entsteht durch diese stilistischen Merkmale – man merkt ja, auch auf einer einzigen Seite, sowohl, dass hier eine Wirkung entsteht, als auch, dass eine Wirkung entstehen soll, dass dahinter eine Haltung (des Autors oder Erzählers) steht, die sich ausdrücken und etwas bewirken will.
Kracht will hier von einem kulturellen Konflikt erzählen, in einer kleinen Situation verdichtet, die überzeichnet, zugespitzt beschrieben wird; das Peinliche, das sich auf der Handlungsebene abspielt, spiegelt sich, verstärkt, im stilistischen Aufwand. Der kleine Tropfen des Anstoßes wird zu einem großen Skandalon, so groß, dass sich darin der ganze Raum mit allen Beteiligten spiegelt. Übertreibung ist eines der gängigsten Mittel der Ironie, die manieristische Süffisanz, die aus dieser sprachlichen und weltbetrachtenden Haltung spricht, ist also keine zufällige oder individuelle Wirkung, sondern man kann annehmen, dass sie so gemeint ist.
Wir Leser sollen also sowohl die Peinlichkeit mitempfinden als auch den ironischen Blick des Autors/Erzählers auf die kulturelle Gemengelage, in der die Situation als peinlich gewertet wird. Die Frage wäre: Empfinden wir das beides mit – oder besteht die tatsächliche Wirkung dieser Passage darin zu merken, dass uns etwas vorgeführt wird, das wir so empfinden sollen? Der Satz, dass man verstimmt sei, wenn man die Absicht merkt (und eben nicht so empfindet, wie es die Absicht gern hätte), hat ja seine Berechtigung. Wenn man eine Kluft zwischen der beabsichtigten und der tatsächlichen Wirkung verspürt, konstatiert man Doppelbödigkeit, Unglaubwürdigkeit – von daher scheint mir die Reaktion zu kommen, die „Fake!“ ruft. Wenn wir also annehmen, dass Kracht nicht die beabsichtigte Wirkung erzielt: Wie kommt es dazu?
Nun greift ja, wenn man sich danach fragt, wie gelungen man einen literarischen Text in seiner stilistischen Gestaltung findet, das simple Gesetz der Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Ertrag. Bekomme ich als Leser einen Erkenntniszuwachs durch diese aufwändige Sprachgestaltung – oder, ersatzweise, ein ästhetisches oder spielerisches Vergnügen an ihr geschenkt? Mein Verdacht ist: Sofern ich nicht genau solche Aufwandübertreibung per se schätze, genieße, prickelnd finde: nein. (Ich kann nur von einem Verdacht sprechen, weil das ganze Buch darüber sicher mehr Aufschluss gäbe als nur eine Seite.)
Damit sind wir aber beim persönlichen Geschmack angelangt. Sieglinde Geisels Urteil eines Fakes kommt dagegen, basierend auf einem gewollt naiven oder altmodischen Stilbetrachtungsansatz (s.o. kann denn ein Niesen wie ein Taifun aus der Nase hervorblasen?), als aus der Sache heraus begründetes Urteil daher. Wer aus persönlichen Geschmacksgründen sprachlichen Manierismus genießt, wäre also stilistisch ahnungslos oder unkritisch? Mir läge es näher, mich als kritischer Leser zu decouvrieren (und angreifbar zu machen) und zu sagen: Mir bringt das keinen ästhetischen oder spielerischen Genuss und auch keinen Erkenntniszuwachs bezogen auf das Erzählte.
Und ich könnte, ebenso persönlich, hinzufügen, dass mir die Dauersüffisanz als Erzähl- und Weltbetrachtungshaltung unsympathisch ist, dass ich keine Lust verspüre, mich auf sie einzulassen und durch diese Augen die erzählte Welt zu betrachten. So geht es mir mit Kracht. Aber auch das kann man anders sehen und empfinden.
Kurz: Sieglinde Geisels Analyse, was da stilistisch passiert, ist wie immer scharf beobachtet und beschrieben. Ihre Bewertungskriterien greifen meines Erachtens aber zu kurz, weil sie dem Autor gar nicht erst zugestehen, seine Haltung und die daraus erwachsende Sprachgestaltung einnehmen zu dürfen. Er will diese Übertreibung. Das muss er dürfen. Wenn wir Leser das nichtssagend finden oder nicht mögen – da bin ich ganz einverstanden mit Sieglinde Geisel –, dürfen wir das ebenso. Moralisch angehauchte Bewertungen („Fake“ ist so eine, „Banause“ in Bezug auf einen nicht überzeugten Leser wäre das Gegenstück dazu) führen vom Gegenstand der ernstgenommenen (statt zirzensischen) Literaturkritik weg. Wenn der stilistische Ansatz, den uns der Text ja sehr deutlich macht, nach seinen eigenen Regeln und erkennbaren Absichten hingegen nicht aufgeht, nicht überzeugt, auch wenn wir ihn durchaus ernstnehmen wollen, muss man anders argumentieren als damit, dass Metaphorik nicht überzogen sein dürfe. Das allerdings könnte sich im Rahmen eines Page-99-Tests als nicht machbar erweisen.
Unglaubwürdige Metaphorik bei Kracht
Sieglinde Geisel – Replik vom 12.9.2016
Ein toller Kommentar von Frank Heibert, in mehrfacher Hinsicht: zum einen wegen der grundsätzlichen Überlegungen zum Format des Page-99-Tests, zum anderen wegen der Kritik am Kracht-Page-99-Test, die selbst wieder einen eigenen Page-99-Test ergibt. Woraus folgt, dass der Page-99-Test von mehreren Lesern bestritten werden sollte. Nur zu!
Das Format des Page-99-Tests ist quick & dirty oder, wie Frank Heibert es so wundervoll ausdrückt, „zirzensisch“, und es soll keinesfalls eine Rezension des kompletten Buchs ersetzen. Als ich mit dem Page-99-Text anfing, war es ein Experiment. Ungeschriebene Regel: Wenn ich mich für ein Buch entschieden habe, muss ich die Seite 99 testen, auch wenn mir dazu nichts einfällt. Kneifen gilt nicht. Zu meinem Erstaunen (und meiner Erleichterung) habe ich bisher keine unergiebige Seite 99 gefunden. Vielleicht hat Ford Madox Ford tatsächlich Recht.
Man kann natürlich kein ganzes Buch mit der Lupe lesen, doch das gelegentliche Hineinzoomen lohnt sich. Kommentare von Lesern, die das ganze Buch kennen, interessieren mich brennend, das wäre dann wiederum der Test des Page-99-Tests. Ich habe das bisher nur beim Bachmannpreis gemacht, wo es mir aufgrund der Kürze des Texts möglich war, das Ganze mit dem willkürlich herausgepickten Teil sogleich in Beziehung zu setzen – eine leicht abgründige Erfahrung. Natürlich wäre für mich die Einschätzung anderer Leser spannender, zum Beispiel der Kommentar von Frank Heibert zu Shumona Sinha!
Frank Heibert hat Recht: Natürlich darf sich die Welt in einem Nasentropfen spiegeln, und in einer erfundenen Welt kann sie das auch. Mein Einwand gegen die Formulierung mit dem Taifun bezog sich auf das Verb davor: Etwas, das sich geradezu passiv „aus ihren Zügen gelöst hat“, kann sich meiner Meinung nach nicht in einen Taifun verwandeln.
Man lese nicht viel und nur das Beste, langsam, und befrage sich alle Schritte, warum glaube ich dieses?
sagt Georg Christoph Lichtenberg, und genau das ist der Punkt. Folge ich Virginia Woolfs Rat, beim Lesen „den Geist so weit wie möglich [zu] öffnen“, dem Autor also zu vertrauen und mir jedes Wort vorzustellen, dann sehe ich, dass mit diesem Tropfen etwas nicht stimmt. Frank Heiberts Lesart hat mir zu der Erkenntnis verholfen, dass es sich um einen metaphorischen Tropfen handelt. Er transportiert demnach das Gefühl des Ausgesetztseins im Moment der Scham, wo alle Blicke sich missbilligend auf den Beschämten richten. Doch das leistet dieser Tropfen für mich nicht: Das Bild zerschellt an meiner Vorstellungskraft (oder umgekehrt). Um es mit Frank Heiberts Worten zu sagen: Der Autor erzielt die Wirkung nicht, die er beabsichtigt. Stattdessen fühle ich mich an der Nase herumgeführt. Das mag daran liegen, dass das Kriterium des Verhältnisses von Aufwand und Ertrag nicht stimmt, das Frank Heibert benennt.
Falls sich die Darstellung der Peinlichkeit in diesem einen Satz erschöpfen sollte – und das liegt nun jenseits des Page-99-Tests –, würde ich sogar sagen, der Autor verrate seine Figur, er mache sie zum Gespött seiner stilistischen Kapriolen. Dann wäre der Stil vollends Selbstzweck: Er würde nicht das zum Glänzen bringen, was die Worte sagen, sondern nur sich selbst.
Ein Wort zum Begriff des Geschmacksurteils: Hier liegt der literaturkritische Hase im Pfeffer! Denn gibt es im Bereich der Ästhetik überhaupt andere Urteile als jene des persönlichen Geschmacks? Das Wort Ästhetik bedeutet Wahrnehmung, und diese setzt ein wahrnehmendes Subjekt voraus, einen anderen Zugang gibt es nun einmal nicht.
Um noch einmal Virginia Woolf zu zitieren:
Und selbst wenn die Ergebnisse fürchterlich und unsere Urteile falsch sind, bleibt dennoch unser Geschmack, der sensorische Nerv, der elektrische Schläge durch uns hindurchsendet, unsere wichtigste Quelle der Erleuchtung; wir lernen durch Fühlen (…).
Gerade weil wir in der Literaturkritik letztlich kaum am Geschmacksurteil vorbei kommen, finde ich den Leser-Dialog so wichtig.
Der Aufsatz „Wie man ein Buch lesen sollte“ von Virginia Woolf findet sich in Der gewöhnliche Leser, Band 2:
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Was Kracht betrifft, schwanke ich zwischen Sieglindes und Frank Heiberts Position. Ihr Page-99-Text deutet auf ein grundsätzliches Problem des Romans, insofern trügt Sieglindes Intuition und auch die Analyse nicht. Auf den ersten 2 Seiten finden wir rund 40 Adjektive, und die gereichen dem Buch nicht zur Ehre, anders als bei Joyce gezeigt. Insofern kann ein Page-99-Test erste Indizien liefern. Sie müssen sich aber, wie die Lektüre des Romans von Shumona Sinha zeigt, nicht bewahrheiten. Man sollte bei einem Kunstwerk beide Perspektiven einnehmen: Adler und Maulwurf. Lupe und Weitwinkel. Wie man beide Instrumente handhabt, ist freilich eine Sache des ästhetischen Gespürs und der Phronesis.
Eine Bemerkung nur zu jenem Absatz:
„Ein Wort zum Begriff des Geschmacksurteils: Hier liegt der literaturkritische Hase im Pfeffer! Denn gibt es im Bereich der Ästhetik überhaupt andere Urteile als jene des persönlichen Geschmacks? Das Wort Ästhetik bedeutet Wahrnehmung, und diese setzt ein wahrnehmendes Subjekt voraus, einen anderen Zugang gibt es nun einmal nicht.“
Allerdings gibt es andere Urteilsarten als den persönlichen Geschmack, die Aussagen über ein Kunstwerk treffen. Etwa ein Urteil, das sich zum Gemachtsein des Kunstwerkes äußert: Wie es aufgebaut ist, wie es im Verhältnis zu zeitgenössischen anderen Werken steht. („Jedes Kunstwerk ist der Todfeind des anderen“ schrieb mal Adorno in den „Minima Moralia“), wie es sich auf die Werke der Tradition bezieht, an welchen Stellen es innovativ ist etc. Man könnte übrigens – Hegel macht das in der Einleitung zu seiner Kunsttheorie – über den Ausdruck Ästhetik streiten und ihn durch eine Disziplin namens „Philosophie der Kunst“ ersetzen. Gerade bei Hegel können wir sehen, daß es bei einem Kunstwerk nicht primär auf seine Wirkung ankommt, wie dies in der Tradition von Aristoteles bis Kant bisher der Fall war (zumindest grosso modo), sondern vielmehr fungiert ein Kunstwerk einerseits als soziales Phänomen und sollte zudem aus sich selbst heraus begriffen werden: also aus seiner Struktur und nicht wie es auf uns wirkt. Käme es nur auf die Wirkung an, dann unterschiede sich das gelungene Werk nicht vom Utta Danella-Roman: denn beide wirken gleichermaßen und rufen Emotionen und Affekte hervor. Wirkung ist immer etwas Abgeleitetes.
Was das Geschmacksurteil betrifft, meinen geheimen Fetisch, so wohnt ihm eine subjektiv-objektive Tendenz inne. Es kommt aus dem Subjekt, weist oft auf intimste Regungen, weshalb etwas gut gefällt und mich anspringt, und es will doch etwas Objektives und allgemein Geltendes am Werk benennen. Und genau hier setzt die Debatte und damit die öffentliche Wirkung eines Kunstwerkes ein, diese Aspekte zu thematisieren. Insofern stiftet jedes Kunstwerk zugleich öffentliche Diskurse. Das freilich hat es auch mit dem schlechtesten gemeinsam. Hinzu kommt, daß sich Geschmack ausbilden läßt, Jeder kann eine gewisse Kennerschaft entwickeln, wenn er intensiven Umgang mit Kunstwerken pflegt. Das allerdings braucht viel Zeit. Ein Page-99-Test kann dazu verhelfen, das eigene Sensorium zu schärfen und an manchen Stellen einfach mal genauer nachzuhaken und nicht fraglos zu übernehmen und durchzuwinken.
Der Geschmack ist einer der fünf klassischen Sinne. Mitunter ist man Gourmet, mitunter tuts auch die Fleischwurscht oder eine Portion pommes. Beides kann einem je nach Gemütslage also schmecken. Damit ist aber nicht beides gleich schon große Kunst.
Weiterhin hat der Geschmackssinn ja die Aufgabe, einen vor Gift zu warnen. Ist ein Werk ohne größere Kunstambition aber gleich Gift? Oder kann es einem doch schmecken und der Geschmack verrät einem zugleich: Gut gemachte Pommes aber eben keine große Kunst.
Schließlich ist der Geschmackssinn wie alle Sinne auch schwankend in der Wertung, veränderbar, wankelmütig, ein schwankes Herz… soweit die Einwände.
Und doch hat Sieglinde Geisel recht: Das Kunstwerk geht nur über die Sinne in den Kopf. Geschmack gleich Kunst das ist sicher so nicht zutreffend; aber eine Kunst ohne Geschmack, allgemeiner ausgedrückt ganz ohne Sinneseindruck, die gibt es schon mal gar nicht.
So, das war jetzt mein Senf zum Thema
Fazit: Machwerk!?
Den Page 99 Test von Sieglinde Geisel lese ich mitunter ganz gerne. Ich betrachte ihn als Spiel, als interessantes Experiment, das zeigt, wie man Sprache lustvoll sezieren kann.
Ein Spiel, ein Test – aber nichts, was ich selber als Maßstab anlegen würde: Ich möchte dann doch die restlichen Seiten selber lesen, ein eigenes Urteil bilden.
Der Übersetzer Frank Heibert hat am Beispiel des Tests in Sachen Kracht einen klugen Kommentar über die Grenzen dieses Experiments geschrieben. Dem gibt es nichts hinzuzufügen. Eigentlich.
Muss/will ich aber doch. Auch wenn der Test unter „quick & dirty“ firmiert, das harsche Urteil „Fazit: Machwerk!“ hinterlässt bei mir ein „Gschmäckle“.
Machwerk, so meine ich, wird häufig gebraucht, um ideologisch anrüchige Bücher zu bezeichnen, sei es von Hitlers Krampf bis hin zu Sarrazins Krampfereien.
Mag sein, ich bin da extra „mimimi“: Aber man mag von Kracht und seinen Büchern halten, was man will, ich finde solch ein negativ besetztes und umgangssprachliches Wort bei der Beurteilung eines literarischen Werkes unangemessen.
Die Tendenz, Bücher so zu bewerten, behagt mir nicht – das ist mein Fazit. Ohne Ausrufungszeichen.
Ich bin froh um diese Klärung, vielen Dank! Ich hatte nämlich beim Begriff „Machwerk“ an ganz andere Dinge gedacht, nicht an ideologische Verlogenheiten, sondern an stilistische. An das „Gemachte“ in einem Werk, das Kunstgewerbliche, Absichtsvolle, Manieristische. Natürlich hat der Begriff auch die anderen Komponenten, die auf moralischen Misskredit abzielen. Das meinte ich nicht! Werde gleich im Beitrag noch eine entsprechende Bemerkung einfügen.
Danke für die drei anregenden Reaktionen auf meinen Kommentar! Mir ist dabei klargeworden, inwieweit mein kritisches Lese-Instrumentarium von meinem Hauptberuf geprägt ist, dem Literaturübersetzen. Dort geht es im ersten Schritt (des Lesens und Verstehens eines Originals) darum, erst einmal gelten zu lassen, zu ergründen, was da sprachlich passiert und was das bedeuten könnte. Eine geschärfte Textanalyse durch einen Übersetzer dient als spätere Grundlage dafür, den Text auf Deutsch neu zu schreiben. In dieser Analyse vermengen sich — genau wie bei der Lektüre eines Werks durch Kritiker, nur vielleicht noch weiter aufgespannt zwischen Textdetail und Gesamttext — die Dinge, die man durchaus unsubjektiv und analytisch über die Gemachtheit eines literarischen Textes sagen kann (danke, Lars Hartmann!), mit der automatischen Geschmacksreaktion des Sprachgefühls (wie fasst mich der Text an, was macht er mit mir?). Es ist eine (fruchtbare) Trainingsfrage, wie gut man es schafft, diese beiden Ebenen der eigenen Textwahrnehmung voneinander zu unterscheiden, und ebenso ist es eine Trainingsfrage, sich nicht sofort in die Wertung zu stürzen, sondern erstmal beim möglichst nüchternen Wahrnehmen zu bleiben.
Für Übersetzer ist das sinnvoll, da es nicht zu unseren Aufgaben gehört, den Text lektorierend nach unserem Gutdünken zu verbessern (ein anderes weites Thema!); es gilt „in dubio pro reo“, das müssen Kritiker so natürlich nicht befolgen. Für Kritiker ist die Differenzierung zwischen subjektiv und (relativ gesagt:) objektivER nützlich insofern, als sie dazu verhelfen könnte, über die ärgerliche Selbstherrlichkeit mancher Kritiker (Tenor: „ICH finde das so, vertraut mir, dafür brauche ich gar nicht zu argumentieren, ich teile es Euch nur mit, liebe LeserInnen“) hinauszuwachsen.
Noch ein paar klärende Worte zu dem von Lars Hartmann aufgemachten Spannungsfeld zwischen Wirkung und Ästhetik bei literarischen Texten. Ich weiß, dass der Wirkungsbegriff gern mal zu Naserümpfreflexen bei Literaturwissenschaftlern führt, weil er so klingt, als seien damit vor allem Effekte (gar das Haschen nach ihnen), Gefühligkeiten u.ä. gemeint. Ich könnte mittlerweile fast Wetten abschließen, ob in dem Zusammenhang Utta Danella oder Rosamunde Pilcher als Hausnummer zitiert wird … Aber Spaß beiseite. Wie, bitte schön, äußert sich denn das Ästhetische eines literarischen Textes beim Wahrnehmenden? Und ließe sich das nicht, wenn man den Begriff so definiert, auch unter „Wirkung“ fassen? Wäre es nicht gerade spannend, eine Kategorie zu haben, mit der, noch bevor wir zu werten beginnen, ebenso Danella wie Dante, Pilcher wie Proust in ihrer jeweiligen Strahlkraft betrachtet werden könnten? Das ist mein Plädoyer für einen geschärften „Wirkung“-Begriff — von der übersetzungsmethodischen Kategorie der Wirkungsäquivalenz herkommend, die wohl die meisten Literaturübersetzer als Haupt-Äquivalenzziel benennen würden.
Subjektive Bewertung findet natürlich immer statt, gar keine Frage; so ist jegliche Kunst (inkl. Kunsthandwerk und Gebrauchskunst, oder wie man jetzt das, was man gern geringer schätzen möchte, unter dieses Begriffsdach packt) doch auch gemeint. Ich finde es eben wahnsinnig spannend, mich zu fragen, worauf genau das Sprachgefühl reagiert, woher genau die Bewertungen kommen, wenn sie kommen. Und zurück zum Anfang des Kommentars: Die Frage nach der Wirkung und danach, wie sie zustandekommt, ist das Instrument, mit dem ich als Übersetzer auf Deutsch versuche, das Originalwerk nachzuschaffen; die Antworten auf diese Fragen sind aber nur zu finden, wenn ich sowohl zur nüchternen Analyse der literarischen Gemachtheit als auch zur Wahrnehmung meiner subjektiven Interpretation des Textes in der Lage bin — und „Interpretation“ beinhaltet dann sowohl mein inhaltlich-semantisches Verständnis als auch meine Einsicht in die Wirkung des Textes (auf mich!) in semantischer wie stilistisch-ästhetischer Hinsicht.
Alle Klarheiten beseitigt? :)))
Kracht lässt es krachen – Zu einem wundervollen Satz aus „Die Toten“
Was unterscheidet Christian Krachts Romane von anderen Romanen der Gegenwart? Zunächst einmal eine sehr artifizielle Langsätzigkeit im Geiste Thomas Manns, oft gefüllt mit den zahlreichen Konjunktiven der indirekten Rede, inhaltlich offen für Ironie und deutliche Urteile des Erzählers. Manchmal vollzieht der Autor innerhalb solch eines Satzes einen optischen Zoom auf ein sehr kleines Geschehen, das die beschriebene Szene der handelnden Figuren auf eine beinahe surreale Weise kommentiert. Solche Sätze gewinnen enorm an Aussagekraft und Kuriosität. Wer „Imperium“ gelesen hat, wird sich gewiss an den Satz erinnern, in dem ein Moskito zum Stich in den Nacken des Gouverneurs Hahl anfliegt (Imperium, S. 52f.)
In „Die Toten“ hat der folgende Satz diese Qualität:
„Ida, das junge deutsche Mädchen, das genauestens hingehört hatte, wollte bemerken, daß allein der nanshin-ron – der südliche Expansionsweg – Japan zum Erfolg führen werde, da riß sie plötzlich, als sei sie durch etwas geblendet worden, ihre Hände vor das Gesicht, zu spät, das Niesen hatte sich schon aus ihren Zügen gelöst, wie ein Taifun blies es nach vorne, ein langer, glitzernder Tropfen baumelte von ihrer Nase, und es spiegelten sich darin nicht nur die Reispapierwände des Séparées und die warmgelben Lampen an der Decke, sondern auch die völlig entsetzten Mienen der anwesenden Japaner” (Die Toten, S.99).
Aus diesem Satz den Schluss zu ziehen, der ganze Roman sei ein “Machwerk”, da die dort beschriebene Spiegelung physikalisch unmöglich sei (so Sieglinde Geisel im “Magazin für Literatur und Zeitgenossenschaft”), zeugt von einem recht grundsätzlichen Unverständnis der Literatur Christian Krachts. (Das kommt ja häufiger vor: Denken wir an den unsäglichen Artikel von Georg Diez im “Spiegel”, und auch bei den Rezensionen zu “Die Toten” zeigt sich manchmal pures Unvermögen, z.B. bei Sabine Vogel in der Frankfurter Rundschau).
Natürlich hat die Szene mit dem Nasentropfen etwas Surreales, aber in ihrer kuriosen Ekligkeit und mit dem Entsetzen, das der Etikettebruch bei den Japanern auslöst, gewinnt sie eine enorme Aussagekraft. Kracht verfügt über ein ganzes Instrumentarium solcher Aussageverstärker.
Die „artifizielle Langsätzigkeit“ ist ein interessanter Begriff, und Sie beschreiben ihre Lektüre-Erfahrung so genau, dass sie mir einleuchtet. Allerdings „glaube“ ich ihm dieses Bild nicht: Hier will mir einer zu offensichtlich zeigen, was er kann. Andererseits sind ihre Argumente – die „kuriose Ekligkeit“ – natürlich überzeugend. Vielleicht kommen wir hier tatsächlich auf das verminte Feld des Geschmacks: Es ist die Frage, ob einem dieses Artifizielle, Preziöse gefällt oder nicht.
Übrigens erhebe ich nicht den Anspruch, Christian Krachts Werk zu verstehen, das wäre bei dem (übrigens nicht 100% ernst gemeinten) Page-99-Text eine Anmaßung.
Beim Lesen ist mir aufgefallen, dass ich Lust hätte, eine Seite 99 von mehreren Rezensent/innen gelesen zu sehen. Schon allein die Anmerkungen auf der Seite würden wahrscheinlich ganz unterschiedliche Lesewege aufzeigen. Natürlich ist diese Rubrik Deine Idee, liebe Sieglinde, aber man könnte diese Vielfältigkeit des Lesens gerade hier fast buchstäblich nachvollziehen können.
Toller Vorschlag! Dann müsste man das etwas langfristiger planen (ich folge bei den Page-99-Tests meinen Launen, das ist sehr spontan) und herausfinden, wie viele Perspektiven man überblicken kann. Schon ein dialogischer Page-99-Test wäre eine grundsätzliche Erweiterung, ob man das mit drei oder vier Leserstimmen noch unter einen gedanklichen Hut bringt, müsste man ausprobieren.
Der Vorschlag ist sehr gut. Allerdings sollte man das nicht bei jedem Page-99-Test machen. Aber es wäre sicher spannend, bei vieldiskutierten Büchern gelegentlich auch mal zwei Perspektiven zu bringen, und in Ausnahmefällen drei.
So langsam kreisen wir doch jetzt den interessantesten Punkt dieser Debatte ein (die konzeptbedingte Begrenztheit des Page-99-Tests ist ja unstrittig). Nämlich den Punkt der geschmeidigen Übergänge zwischen einem triftigen kritischen Urteil über Literatur (dazu gleich) und einem legitimerweise subjektiven, individuellen, meinetwegen idiosynkratischen Geschmackssensor, der „mag“ oder „nicht mag“, der erreicht und bewegt wird oder gleichgültig bleibt. Wie bereits gesagt, diese Geschmacksreaktion ist eine zu 100% legitime Reaktion auf Kunst (ich verweise hier gern auf Silvia Bovenschens hochspannendes Buch „Über-Empfindlichkeit“, das sich mit diversen Spielarten der Idiosynkrasie befasst), auch wenn man der einzige auf der Welt wäre, der so empfindet. Man muss, finde ich, das nur transparent machen und nicht so tun, als wäre man einer „objektiven Wahrheit“ über den Text auf die Spur gekommen. Idiosynkrasie muss man nicht belegen, diagnostisch gemeinte Urteile schon.
Damit meine ich den Bereich, in dem man argumentieren kann. Und sollte. Wenn man also beispielsweise konstatiert, dass ein stilistischer Aufwand betrieben wird, für den man weder eine Motivation im Text entdecken kann noch einen Erkenntniszuwachs gewinnt — und also nicht von diesem Aufwand überzeugt ist. Selbst wenn man beobachtet, dass ein stilistischer Aufwand Selbstzweck ist (sprachliches „l’art pour l’art“) und genau das sein will, selbst dann kann man sich kritisch zu der Machart des Textes äußern. Ein bloßes „Der Autor hat das genau so gewollt“ beantwortet noch nicht die Frage, ob der Text funktioniert, wohlgemerkt: nach seinen eigenen Regeln funktioniert. Bei Kracht etwa: Wenn der überzogene stilistische Aufwand manieristisch wirkt, selbstzweckhaft, womöglich eitel, weil er genau so sein will — dann ist die Frage immer noch nicht beantwortet, ob diese Art, seine Geschichte zu erzählen, für genau diese Geschichte überzeugend ist. Ist für den Gehalt der Geschichte von „Die Toten“ eine artifizielle, süffisante Sprache das überzeugendste formale Gewand? Oder empfinde ich das alles als Blendwerk und fühle mich genasführt, weil ich es nicht als triftig, zwingend, überzeugend lesen kann?
Sieglinde Geisel hat in ihrer „Satz für Satz“-Reihe das Kriterium der „Glaubwürdigkeit“ aufgestellt, was natürlich nicht naiv zu verstehen ist. Ein sehr wichtiges Kriterium. Ich finde, im differenzierten, intelligenten Sinne des Wortes greift dieses Kriterium bei Literatur wie der von Kracht, und meiner Meinung nach braucht man sich nicht in die diplomatische Quarantäne von „Die Geschmäcker sind halt verschieden“ zu flüchten, wenn man einen Text auf Glaubwürdigkeit hin untersucht und am Ende nicht überzeugend findet. Wie man dann „Glaubwürdigkeit“ bei einem Text genau versteht und warum sie womöglich fehlt, muss man freilich auch ausführen.
Fließende Übergänge, wie gesagt. Aber machen wir uns doch die Mühe, hinzuschauen, wo genau bei einem konkreten Text die jeweilige Grenze verläuft zwischen argumentativ Belegbarem und von der Beweislast befreiter Subjektivität/Idiosynkrasie. Ich glaube, so lernen wir sowohl die Texte besser kennen als auch uns selbst als Leser.
PS: „Stimmigkeit“ war das zentrale Wort in „Satz für Satz 4“, pardon. „Glaubwürdigkeit“ kam auch in dem Essay vor als ein Aspekt dieser Stimmigkeit. Ändert aber nichts an dem, was ich sagen wollte.
Kurz nur zu einem Aspekt aus der Vielzahl an feinen Bezügen, die Frank Heibert uns nannte:
„Wäre es nicht gerade spannend, eine Kategorie zu haben, mit der, noch bevor wir zu werten beginnen, ebenso Danella wie Dante, Pilcher wie Proust in ihrer jeweiligen Strahlkraft betrachtet werden könnten?“
Zum einen habe ich mit dem Begriff „werten“ ein Problem, zum anderen mit einem Begriff wie „objektiver Wahrheit“, die Frank Heibert weiter unten (in kritischer Absicht) anspricht. Ein ästhetisches Urteil ist eine komplexe Sache. Es verschränken sich darin jene genannten Idiosynkrasien, ein Moment von Geschmack sowie ästhetisches Bewußtsein und Kunstwissen, Wahrheits- und Geltungsansprüche – zumindest in einem relationalen Rahmen –, es artikuliert sich darin eine Erfahrung, die wir mit dem Kunstwerk machen und ebenso der Blick in das Werk selbst, das Gemachtsein eines Textes: Was es ist, dies zu sein, so wie es ist. Was genau ist es, das in einem Text gelingt? Insofern scheint mir der Page-99-Test zumindest eine Basis zu liefern für eine textimmanente Lektüre – manchmal eben mit einem Augenzwinkern vorgetragen und unter der Perspektive, daß nicht das komplette Werk gesichtet werden kann.
Ich denke jedoch, daß wir eine solche Kategorie, wie in dem obigen Zitat von Frank Heibert nicht haben können, weil kein Text schlicht für sich steht, sondern bereits in ein System von Bezügen gebunden ist. Selbst dann, wenn man den Autorennamen einmal fortließe und nur die Sätze als solche prüfte. Ich denke, schnell würde sich erweisen, daß Danella mit Sprachmarken und -klischees arbeitet und es bleibt wenig von der Strahlkraft übrig. Was nicht ausschließt, daß es in ihrem Text einzelne Sätze geben mag, die gut sind. Aber wie es bei Kunstwerken ist: Teil und Ganzes, Allgemeines und Einzelnes, Form und Inhalt stehen sich nicht starr gegenüber.
Zudem denke ich, daß es im ästhetischen Urteil insofern nicht ums Werten geht (oder gehen sollte), weil sich im Urteil eben Momente ästhetischer Erfahrung wie auch Aussagen über das Werk als solches vermischen. Solche Urteile beinhalten komplexe Prozesse, so z.B. wie sich einer mit einem Werk auseinandersetzt – jenseits vom bloßen Geschmacksurteil eines „Gefällt mir“, gegen das man mit Argumenten nicht viel sagen kann. Wer Kutteln mag, dem wird man es nicht ausreden wollen.
Worauf es vielleicht ankomm, ist, von der subjektiven Bewertung, von den eigenen Vorlieben oder Abneigungen her zu einer umfassenden Perspektive zu gelangen, die womöglich auch den eigenen Referenzrahmen, der sich gerne bestätigt sieht, hinter sich läßt.
Was man Glaubwürdigkeit nennt, ließ sich mit dem Begriff der ästhetischen Konstruktion gut beschreiben, zu dem auch der der Stimmigkeit paßt. (Die bei Kracht leider nur bedingt funktioniert. Ich habe das in meiner Besprechung auf „Aisthesis“ gezeigt.) Wie einzelne Sätze gebaut sind, wie das Gefüge konstruiert ist, was da eigentlich erzählt wird. Das ergibt ein Bündel von Bezügen und die muß ein Kritiker in den Blick gekommen – was ein Page-99-Test nie leisten kann und vermutlich auch nicht will. Ich beschließe diesen Kommentar mit einem Zitat von Adorno, das eine zentrale Bestimmung von Ästhetik und Kritik nennt. Adorno schrieb im Zusammenhang seiner Valéry-Lektüre:
„Die Fähigkeit, Kunstwerke von innen, in der Logik ihres Produziertseins zu sehen – eine Einheit von Vollzug und Reflexion, die sich weder hinter Naivetät verschanzt, noch ihre konkreten Bestimmungen eilfertig in den allgemeinen Begriff verflüchtigt, ist wohl die allein mögliche Gestalt von Ästhetik heute.“
@Frank Heibert und @Lars Hartmann. Sehr erhellend! Was wir hier machen ist ja, den Prozess des kritischen Lesens unter die Lupe zu nehmen im Unterschied zum Page-99-Test, der die Literatur unter die Lupe nimmt. Jede Lektüre verändert das Gehirn (so eine Erkenntnis der Neurowissenschaftlerin Maryanne Wolf in „Das lesende Gehirn“), erweitert die Wahrnehmungsmöglichkeiten gegenüber einem Text. Also liest jeder Kopf anders. Es geht nicht so sehr um objektiv und subjektiv, sondern um die Frage, ob man sich seines eigenen Lesens bewusst ist. Man kann nie alles merken, was sich bei dem hochkomplexen Akt des Lesens abspielt, aber man kann wacher oder weniger wach lesen. In diesem Sinn ist der Page-99-Test ja lesen im Labor. Man würde das keine 20 Seiten durchhalten. Es ist für mich eher so ein Fitness-Training (kurz & heftig), das allerdings auf die Spaziergänge einen Einfluss hat, ohne dass ich genau benennen könnte, was sich dadurch in meinem sonstigen Lesen verändert.
Ich bin ebenfalls kein Anhänger der Literatur von Christian Kracht, im Gegenteil. Außerdem finde ich die Art und Weise abstoßend, wie es Kracht und seiner Entourage bei jedem seiner Bücher aufs Neue gelingt, sich ins Rampenlicht der Aufmerksamkeit zu katapultieren. Allerdings bin ich im Fall dieser inkriminierten Passage nicht Sieglindes Auffassung, in keinster Weise! Und wie ich Senthuran Varatharajah gegen illegitime Angriffe verteidigt habe, tue ich es auch hier bei Kracht. Ich tue das, weil ich selbst Autor bin und mich die Anmaßung mancher sogenannter Kritiker stört, im ansatzweise überflogenen Text bereits erkennen zu können, ob er etwas taugt.
Es handelt sich nicht um einen Test der Seite 99, sondern lediglich um einen einzelnen Satz. Sieglinde findet den Satz gedrechselt. Ich gar nicht. Aber was heißt eigentlich gedrechselt? Laut Wikipedia ist etwas gedrechselt, wenn es sich „in der horizontalen Ebene zentrisch um seine Achse dreht und das Werkzeug die zu erzeugende Kontur abfährt“ Es handelt sich hier, so meine Auffassung, um einen schön durchgearbeiteten Satz, ausgesprochen stimmig, und, wie ich finde, ein wunderbares Beispiel für etwas, das „zentrisch um die eigene Achse gedreht“ wird.
Im Einzelnen zu Sieglindes Auseinandersetzung:
– Selbstverständlich kann man nicht nur etwas sagen, sondern auch etwas „bemerken“. Ich jedenfalls sage hier nichts, sondern bemerke es.
– Hier wird behauptet, „völlig entsetzt“ sei redundant. Ist es nicht. Ich sähe mich in der Lage, mindestens sieben Eskalationsstufen des Entsetzens zu beschreiben (das werde ich auch tun), auf der das „völlige Entsetzen“ einen lediglich mittleren Rang einnimmt. Selbst wenn es redundant wäre, was tut das zur Sache? Es ist eine Steigerung, die meines Erachtens genau das tut, was sie tun soll: eine Intensivierung beschreiben.
– Bloß weil jemand die Hände vors Gesicht reißt, glaubt „man“, es komme ein Messer geflogen? Man? Die Autorin glaubt es, vielmehr: denkt es, und möchte, indem sie es zur allgemein gültigen Reaktion emporhebt – „man“ – , sich durch die vermeintliche Reaktion aller anderen den Rücken stärken lassen. Ich glaube es nicht. Ich erwarte da kein Messer, ich warte vielmehr einfach den Rest des Satzes ab.
– Völlig aus der Luft gegriffen ist die Annahme, es gehe, wenn jemand die Hände vors Gesicht reißt, um Leben und Tod.
– Natürlich kann sich etwas aus den Gesichtszügen einer Person lösen und sich dann, diese Loslösung steigernd, zu einem Wirbelsturm entwickeln, der vor allem im asiatisch-pazifischen Raum meist als Taifun bezeichnet wird. Nasensekrete, werden wir informiert, sind in asiatischen Ländern so tabuisiert „wie in den westlichen Gesellschaften die übrigen Körperflüssigkeiten“. Genauso also! Das wusste die Autorin. Aber wusste sie auch, dass die Japaner über Taifune sagen, dass sie ‚Gesichter‘ haben? Wusste sie nicht! Ich weiß es auch nicht. Aber vielleicht weiß es Kracht. Vielleicht ist das hier eine Metapher? Dass Winde blasen können, ist leicht zu erkennen, wenn man sich Zeichnungen für Kinder anschaut, auf denen diese Winde Gesichter haben: Gesichter, die die Backen aufblähen, um dann den Wind herauszublasen. Im „Blasen“ der Winde vermählt sich hier auf das allerschönste der kindlich-naive mit dem bedrohlich-gefährlichen Aspekt dieser Stürme.
– Darüber hinaus niest kein Mensch nur mit seiner Nase, sondern mit den gesamten Gesichtszügen, manche Menschen sogar mit dem ganzen Körper. Manche niesen wie ein laues Lüftchen, andere wie eine Naturkatastrophe.
– Dann wird behauptet, Kracht beschreibe „genüsslich“. Woran erkennt die Autorin das? Und wenn es tatsächlich so sein sollte: Wäre das nicht wunderbar, wenn Autoren es genießen, Worte und Sätze zu „drechseln“? Ich als Leser jedenfalls genieße es. Und ich möchte mir auch kein genussbereinigtes, puritanisches Lesen und Schreiben als das einzig Wahre vorgaukeln lassen. Warum also wird das hier als genüsslich empfunden? Und was folgt daraus, dass Kracht genüsslich formuliert? Darüber gibt die Autorin keine Auskunft.
– Selbstverständlich kann sich in einem Tropfen die ganze Welt spiegeln. Wir haben es hier mit Literatur zu tun. Absurd, hier die Maßstäbe der realen Welt anzulegen oder zu fordern. Wer das tut, müsste auch fordern, dass die erzählte Zeit mit der Erzählzeit übereinstimmt. Dass es hier nicht um Größenverhältnisse geht und man hunderttausend Jahre in einem Satz erzählen kann und eine Sekunde in einem Roman entfalten, ist auf den ersten Blick klar. Ich kann Ereignisse in jede Richtung zeitlich und räumlich vergrößern und verkleinern. Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass hier die Welt des Films beschrieben wird und filmische Mittel eingesetzt werden. So gesehen müsste dieser Satz die höchste Anerkennung eines versierten Stilkritikers bekommen! Und darüber hinaus: Vielleicht wird hier auf Jeff Koons verwiesen, in dessen, allerdings kitschigen Werken häufig Spiegelungen zu sehen sind; nicht die der Außenwelt, also keine natürlichen, sondern künstliche Speigelungen, die spiegeln, was tatsächlich gar nicht präsent ist. Kitsch, aber mit einem Schuss Genialität. Vielleicht macht das Kracht hier ebenso: der hält dem Leser einen Spiegel vor, in dem er, nicht wie Sieglinde glaubt, Kracht den Autor Kracht zu sehen bekommt, sondern sich selbst. Leser und Kritiker sehen in ihren ‚Verständnis‘ oder ihrer ‚Interpretation‘ oder ‚Stilkritik‘ nicht uns Autoren, sondern sich selbst.
– Und abschließend: wieso soll dieser Satz ein Fake sein? Eine Fälschung also. Fälschung von was? Was ist das Echte, wenn dies hier das Falsche ist? Und wieso soll das stilistisch verlogen sein? Wie kommt man dazu, hier eine Wahrheit zu postulieren, die die Leserin dieser Passage offenbar kennt oder zu kennen vorgibt. Die Lüge nicht vielmehr Kennzeichen literarischer Texte, Fiktionalität genannt, und deswegen müsste man sagen: je verlogener, desto kunstfertiger? Oder ist es so, dass hier immer noch ein Wahrheitsbegriff wirksam ist, dass wir also in der Literatur belogen und betrogen werden wollen, aber so, dass wir glauben können, es handele sich um die Wahrheit? Wir kaufen die Lüge, aber wir kaufen sie nur, wenn sie uns als Wahrheit präsentiert wird. Anders ausgedrückt wir wollen vom Text „Authentizität“, „Stimmigkeit“ oder „Glaubwürdigkeit“. Und eigentlich fordern wir das alles sogar vom Autor. Letztlich, so mein Verdacht, interessieren wir uns heute mehr für die Urheber als für ihre Werke. Weil diese gegenüber ihren Werken einen unschlagbaren Vorteil haben: Man muss nichts lesen, um sie zu verstehen.
Sieglinde: Du sprichst von der Erwartung, die Kracht schürt. Woher weißt du, da es doch deine Erwartung ist, dass Kracht sie zu schüren beabsichtigte? Hat er dir erzählt, was er mit dieser Passage wollte? Es ist nicht Kracht, es sind deine eigenen Erwartungen, die dich täuschen. Wie kannst du annehmen, dass er genau dieses eine, was du empfindest, schürte, wo ein anderer, ich beispielsweise, doch bei jedem seiner Worte etwas vollkommen anderes liest und empfindet? Soll ich jetzt von meinen Empfindungen ebenfalls annehmen, dass Kracht sie schürte, er also mit denselben Worten bei dir das eine und bei mir das andere schürt? Und so wie du bei dem Wort „Machwerk“ an etwas ganz anders gedacht hast, als eine Kommentatorin, so denkt vielleicht auch Kracht an ganz andere Dinge als du. Aber anders als du hier, kann Kracht das jetzt nicht mehr geraderücken. Und noch viel wichtiger: Von welcher Absicht Krachts sprichst du hier eigentlich? Du glaubst ernstlich, Kracht wolle dir „zeigen, was er kann“?
Wie kommt der Leser, und der Kritiker ist ein Leser – häufig sogar ein sehr schlechter, weil er unter großem Zeitdruck ein Ergebnis zuwege bringen muss; hinterher behauptet er allerdings gerne, das schnell Zusammengeschriebene sei das Beste –, auf den aberwitzigen Gedanken, er sei gemeint? Er und seine Emotionen, seien mit dem Text gemeint oder gar intendiert? Es ist nicht der Autor, der den Leser meint. Es ist der Leser, der sich als gemeint imaginiert und damit ins Zentrum des Textes rückt. Aber wir Autoren meinen nicht euch, wenn wir unsere Texte schreiben! Wir Autoren arbeiten auch nicht mit rhetorischen Mitteln! Es sind die Kritiker, die diese Mittel brauchen, um sich im Text zu orientieren. Ich weiß auch gar nicht, wie Kritiker auf den absurden Gedanken verfallen konnten, wir Autoren schürten etwas. Wir schüren nichts. Wir verarbeiten auch nichts. Wir drechseln lediglich, so kunstvoll wie möglich: Worte. Idealerweise „zentrisch um die eigene Achse gedreht“, wobei das Werkzeug, die Sprache, „die zu erzeugende Kontur“, die Geschichte nämlich, „abfährt“.
Mir drängt sich hier der Verdacht auf, dass hier ein Verriss gewollt wurde. Weil Verrisse mehr Aufmerksamkeit erzeugen, also Lobhudeleien. Und weil Literatur immer auch Politik ist und es gerade politisch opportun ist, Kracht herunterzumachen. So wie es ebenfalls politisch opportun ist, sich überhaupt mit Kracht auseinanderzusetzen. Einfach nur schlechte Literatur, und darum handelt es sich ja deiner Analyse nach, müsste man lediglich ignorieren. Aber Bücher, gelesen oder nicht, davon gehört oder nicht, die erste oder die 99 Seite überflogen: sie eigenen sich immer gleichermaßen wunderbar, sich im Literaturbetrieb zu positionieren.
Ich kann auch nicht erkennen, dass es sich um eine Stilkritik handelt, hier wird keinerlei stilistisches Vokabular bemüht. Es ist lediglich ein Abwatschen. Du sagst selbst, du folgst deinen „Launen“. Ich hingegen schätze eine aufwändige Sprachgestaltung und einen hohen Stil, große Teile unserer so genannten Hochliteratur sind so geschrieben. Darüber hinaus: Ich sehe keinen Grund, warum ein stilistischer Mehr-Aufwand – mehr als was, eigentlich? – nur von der Sache her gerechtfertigt sein soll. Warum soll ein Autor nicht hochartifiziell schreiben dürfen? Diese Artifizialität ist Kennzeichen einer schriftlichen, nämlich strukturierten und durchgearbeiteten Sprache. Dürfen wir Autoren das nicht mehr, weil in den Zeiten von Knausgård unsere Leser nicht mehr in der Lage sind, das adäquat aufzunehmen. Auch Thomas Manns Sprache war nicht stilistische Selbstbefriedigung. Er hat es verstanden, die Sache, um die es ihm geht, in diese und in keine anderen Worte zu kleiden. Und dieses Recht nimmt sich Kracht auch heraus. Dabei empfinde ich diesen Satz nicht als manieriert, auch nicht als artifiziell oder süffisant. Das ist ein schöner, in keiner Weise überzogener Satz, der genau das tut, was literarische Sprache können muss: die Fäden des Verstehens in alle Richtungen offenzuhalten. Nicht offen ist allerdings diese eine Richtung: das gewollte Missverständnis.
Du hast in deinem ersten von drei Einträgen zu einem Buch, dass du nicht gelesen hast, zu Recht gesagt, vielmehr bemerkt, dass es egal ist, wann das Buch erscheint. Vielleicht ist es aber noch schlimmer: es ist offenbar sogar egal, was drin steht.
Du hast in Deinem Verriss meines angeblichen Verrisses eine Prämisse unterschlagen, die in dieser Debatte schon mehrfach erwähnt wurde. Der Page-99-Test ersetzt keine Rezension, er ist ein Experiment, und zwar eins in genauem Lesen, sprich: im Erkunden dessen, was beim Lesevorgang im Leser vorgeht. Das Lesen ist eine subjektive Tätigkeit, ergo handelt es sich um radikal subjektive Aussagen, die niemand mit mir teilen muss. Doch weder habe ich den Text „ansatzweise überflogen“, noch habe ich meine Analyse „schnell zusammengeschrieben“ – pauschale Kritikerschelte weise ich zurück, sie liegt nicht auf dem Niveau, auf dem wir hier debattieren.
Mit geht es nicht um richtige oder falsche Urteile, sondern um Transparenz. Ich kann meine Lesart dieses einen Satzes (der so viel Aufmerksamkeit gar nicht verdient hat), durchaus begründen. Der Kürze halber beschränke ich mich auf zwei der von Dir inkriminierten Beispiele:
1) bemerken/sagen:
Es geht um den Kontext, nämlich das „bemerken wollen“. Im Verb „bemerken“ schwingt eine Wertung von außen mit, es spiegelt eine Beobachterposition. Doch hier geht es um einen Vorgang innerhalb der Figur, weshalb ich „bemerken“ an dieser Stelle nicht für das beste Verb halte. Eine Nuance, aber beim Erzielen von Wirkung geht es um Nuancen.
2) „völlig entsetzt“:
Intensifikatoren (wie „völlig“, „ein wenig“, „sehr“ etc.) können dem Wort, das sie begleiten, Energie entziehen, paradoxerweise auch dann, wenn sie dieses Wort auf der semantischen Ebene verstärken. Sie seien wie Egel, die ihren Wörtern das Blut aussaugen, heißt es in „Elements of style“ („Rather, very, little, pretty – these are the leeches that infest the pond of prose, sucking the blood of words.“) Dieser Mechanismus dürfte damit zu tun haben, dass sich die Lese-Energie auf mehr Wörter verteilt und folglich jedes einzelne Wort weniger Energie abkriegt. Daher ist die knappere Wendung „die entsetzten Mienen der anwesenden Japaner” in der Wirkung stärker (zumindest auf mich) als „die völlig entsetzten Mienen der anwesenden Japaner“. Wobei ich jetzt gerade merke, dass auch „anwesenden“ redundant ist.
Danke, Lars Hartmann. Gute Ergänzung. Wobei: Ich glaube, egal wie sehr wir versuchten, es zu unterlassen, wir „werten“ doch beim Lesen immer. Finde ich auch in Ordnung, vor allem, wenn man sich darum bemüht, danke, Sieglinde, „wacher zu lesen“.
Zur Idee von Stephanie Jäckel: Ich wäre dabei, wenn es darum ginge, mehrere Lektüren irgendeiner Page 99 nebeneinander zu stellen, und Freiwillige gesucht würden.
Wertung, so meine ich, beginnt schon bei der Auswahl der Bücher, die ich lese – wenn ich denn nicht beruflich mit Literatur zu tun habe und gezwungenermaßen jede relevante Neuerscheinung lesen muss (aber da beginnt es schon: Wodurch wird eine Neuerscheinung relevant?). Jedenfalls: Nach welchen Kriterien suche ich mir die Literatur aus, mit der ich ja einen nicht unwesentlichen Teil meiner Zeit verbringe? In vielen Fällen, behaupte ich mal, spielen da bei der Buchauswahl literaturästhetische Kriterien zunächst eher eine nachrangige Rolle für den „Freizeit-Leser“, wie ich es auch bin. Man unterliegt vielerlei Einflüssen: Massives Marketing, Fernsehen-Buchverkaufs-Sendungen, Longlistlesen etc. pp.. Sozialisation, eigene Interessen usw. beeinflussen die Lektüre ebenso. Ich habe mir in den vergangenen Tagen, auch angeregt durch diese interessante Diskussion hier, einige Feuilleton-Rezension genauer angesehen: Der Umgang mit Sprache eines Autors wird häufig nur rudimentär untersucht oder wie im Falle Krachts auch mit Etiketten, die wiederholt werden. Umso wichtiger finde ich daher den 99 Page-Test – er regt mich als Leserin an, wie Frank Heibert schreibt, „wacher“ zu lesen, genauer hinzuschauen. Und daher finde ich den Vorschlag von Stephanie höchst anregend – vier Augen sehr mehr… Daher bitte weiter so!
Eine andere Variante des Tests habe ich in Sachen Knausgard – den ich komplett nicht gelesen habe noch lesen will, das trifft einfach nicht meine Interessen – dieser Tage in einer Buchhandlung unternommen: Ein kurzer Blick auf diverse 99er Seiten dieser Selbstbespiegelungs-Serie genügt, um die Diagnose von Sieglinde Geisel – https://tell-review.de/satz-fuer-satz-6-glanz-und-elend-des-adjektivs/ – zu untermauern.
Hallo zusammen,
neu in der Runde und (sehr:) erfreut über Frank Heiberts Überlegungen, wie auch das gesamte kollektive Überlegen, möchte ich anmerken, dass „bemerken“ auch für eine (vermeintlich?) „reine“ Innenperpspektive angemessen sein kann – etwa dann, wenn die Figur zu sich selbst in Distanzierung fällt – sei es als grundsätzliche Eigenart, sei es ausgelöst durch die Exponiertheit vor Ort – sei sie also immer gegeben, oder situativ bedingt; etwa, wenn sich Unbefangenheit verliert, in einer ohnehin heiklen Situation, die zur (gleichsam unfreiwilligen) Selbstbeobachtung einlädt..
Ohne Krachts neuere Texte genauer zu kennen, bin ich mir recht sicher, dass seine eigentümliche Verbindung von Innenerleben und Selbstdistanzierung kein Zufall ist. Eher ein Anliegen. ( Wodruch auch immer motiviert). Die Nunancierung oder Akzentuierung solcher Mehrbödigkeit ließe sich im weiteren Lesen vielleicht genauer erfassen..
Innenerleben literaturpsychologisch mit einer Art Selbst-Distanzlosigkeit gleich zu setzen, würde menschliche Komplexität so verfehlen wie literarische Möglichkeiten, sie auszudrücken..
Beste Grüße,
Alexandra Trencséni
“ Im Verb „bemerken“ schwingt eine Wertung von außen mit, es spiegelt eine Beobachterposition. Doch hier geht es um einen Vorgang innerhalb der Figur, weshalb ich „bemerken“ an dieser Stelle nicht für das beste Verb halte. Eine Nuance, aber beim Erzielen von Wirkung geht es um Nuancen.“
P.S. Ich vergaß zu ergänzen, dass es natürlich neben der menschlichen „Binnenkomplexität“ noch die rein literarische gibt, in der Abstufungen der Identifikationsangebote an die LeserIn nicht Fehler sind, sondern Absicht:).
:)), A.T.