Richard Ford

Richard Ford

In Richard Fords Roman Frank spricht die Hauptfigur Frank Bascombe meist von „negroes“ und verweigert das politisch korrekte „African Americans“ weitgehend. In der deutschen Rezeption wurde das negativ vermerkt. Doch im Amerikanischen macht ihn das noch nicht zu einem Reaktionär.

Richard Ford hat in einem Gespräch mit Denis Scheck im Studio LCB darauf hingewiesen, dass es in den USA eine Stiftung zur Ausbildungsförderung afro-amerikanischer Jugendlicher gebe, den United Negro College Fund. Solange der weiterhin so heiße, sei das Wort nicht so verbrannt, wie es den Deutschen vorkomme, meinte Ford nach der Veranstaltung auf meine Nachfrage. Ich habe mich in meiner Übersetzung von Frank für “Neger” entschieden, weil es im Deutschen am ehesten dem entspricht, was “negro” im US-Englischen macht.


Richard Ford über das Wort »negro«

im Gespräch mit Denis Scheck, Studio LCB, 5.10.2015

„Frank Bascombe ist Jahrgang 45, für seine Generation ist negro ein normales Wort, nicht abwertend in den Fünfzigerjahren und auch nicht heute. Negativ ist das N-Wort [= „nigger“], das die Schwarzen im Straßenslang selbst benutzen, was ich nicht unproblematisch finde. Negro ist höchstens provokativ, weil Teile der schwarzen Gemeinde finden, Weiße sollten es nicht benutzen; andere wie Toni Morrison haben kein Problem damit. Wenn Kristina und ich bis zu unserem Tod nicht alles ausgegeben haben, dann hinterlassen wir alles einer Stiftung, die die Collegeausbildung junger Schwarzer unterstützt, dem United Negro College Fund, da geht dieses Wort also auch, negro gehört zum Sprachgebrauch in den USA. Fiktion ist ja an sich ein Akt der Provokation, in diesem Punkt ist das bei mir aber nicht der Fall. Als Schriftsteller ist es meine Aufgabe, die Sprache zu pflegen, zu erneuern, aber auch zu verhindern, dass durch politische Korrektheit die Ausdrucksmöglichkeiten verengt werden. Wenn nicht alle Menschen, ob schwarz oder weiß, sich so ausdrücken dürfen, wie sie wollen, kommen wir mit dem Thema Rassendiskriminierung nicht weiter. Und im Übrigen lasse ich mir als Schriftsteller sowieso nicht vorschreiben, was ich sagen darf und was nicht.“

Angaben zum Buch
Richard Ford
Frank.
Roman.
Aus dem Englischen von Frank Heibert.
Hanser-Verlag, 2015 · 224 Seiten · 19,90 Euro
ISBN-13: 978-3446249233
Bei Amazon oder buecher.de
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Bildnachweis: Arild Vågen (Porträt Richard Ford)
Digital Comic Museum (Headerbild)
Buchcover: Hanser Verlag

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Von Frank Heibert

Übersetzer, unter anderem von Don DeLillo, Willam Faulkner, George Saunders, Lorrie Moore, Boris Vian, Yasmina Reza und Richard Ford. 2006 erschienen sein erster Roman „Kombizangen“ und das Jazz-Album „The Best Thing on Four Feet“ (zusammen mit der Jazz-Combo Finkophon Unlimited).

13 Kommentare

  1. Besagter Negro Fund ist eine Organisation, die in den vierziger Jahren gegründet wurde, zu einer Zeit also, als die Sprachgewohnheiten noch andere waren. Als Argument für den Gebrauch des Wortes “negroe” den Namen dieser Organisation anzuführen, scheint mir daher wenig überzeugend. Der biographische Hintergrund der Figur, von der hier die Rede ist, ist als Argument relevanter. Das individuelle Figurenidiom kommt aus biographischen Gründen ohne den “negroe” nicht aus, verwendet das Wort möglicherweise – ich habe das Buch nicht gelesen – in ähnlicher Weise wie James Baldwin und aus einem ähnlichen historischen Bewusst sein heraus. Das Problem im Deutschen ist tatsächlich aber die Tatsache, dass der deutsche “Neger” den “negro” und das “N-Wort” gleichermaßen meint, selbst wenn im Deutschen auch das N-Wort in gleichlautender Gestalt wie im Englischen zur Verfügung steht. (War das schon immer so?) Das Wort “Neger” jedenfalls hat – und das scheint mir der Unterschied zum “negro” zu sein – in seiner Geschichte keine durch schwarze Menschen positiv konnotierte, geschweige denn “empowernde” Funktion angenommen. Und darin besteht sein großer Mangel: Dass es im allerbesten Fall – und häufig nicht einmal das – eine neutrale Bezeichnung für Menschen mit schwarzer Hautfarbe war.

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  2. Nachtrag: Das sollte keine Kritik an Frank Heiberts Entscheidung sein. Ich wüsste keine andere Lösung.

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    1. Ich bin völlig Gregor Runges Meinung, dass die Unterschiedlichkeit der historisch-sozialen Hintergründe in den USA und in Deutschland und damit die verschiedenen Bewertungsgeschichten von “negro” und “Neger” hier eine besonders sorgfältige Vorüberlegung beim Übersetzen erforderlich machen. Es gibt vermutlich wirklich keine andere Lösung, aber eine Notlösung ist es deshalb auch noch nicht. Das hat damit zu tun, dass wir ja nicht nur einzelne Begriffe übersetzen (auch wenn man nachher oft so darüber diskutiert), sondern dass die kontextuelle Einbettung entscheidend ist. (Auch das hat Gregor ja angedeutet.) Frank ist in dem Alter, in dem er die rassistischen USA der 60er Jahre als weißer Mann bewusst erlebt hat, also auch die rassistische Selbstverständlichkeit abwertender Begriffe. Er denkt politisch links, hat Obama gewählt. Und, das ist das Interessanteste an dieser literarischen Einbettung der Problematik, er schildert, ja, protokolliert fast, wie er den Tanz auf rohen Eiern Schritt für Schritt im Dialog mit der schwarzen Besucherin erlebt, sein Unwohlsein, sein Bemühen, nichts falsch zu machen — und dann doch immer wieder verbal ins Rutschen zu kommen. Dadurch wird derjenige, der hier “negro” sagt, aus der schlichten Ecke des unreflektiert Daherredenden geholt und das Thema lädt, wie wir erleben, zum Nachdenken und Diskutieren ein. All das wird auch deutlich, wenn er auf Deutsch “Neger” sagt. Und zur Wahrnehmung seines Blicks gehört auch die Schlussszene des ganzen Buches, eine Begegnung mit einem flüchtigen Bekannten, auch er ist ein Schwarzer, dessen Porträt so respektvoll, fast liebevoll gerät und der mit wenigen Pinselstrichen in seiner kulturellen Identität und all seiner Würde abgebildet wird.
      Im Wissen um diese kontextuellen Differenzierungen und Schattierungen erschien mir, auch unabhängig von Richard Fords Hinweis auf den “Fund”, also die Rehabilitierung des englischen Wortes “negro”, die Entscheidung für “Neger” richtig, weil kaum noch missverständlich.
      Alles Andere geht aufs Konto der unweigerlichen kulturellen Unterschiede zwischen der Ausgangs- und der Zielkultur, die man immer mit einkalkulieren muss, in diesem Fall sind sie nur brisanter.
      PS: Und ob “Neger” mittlerweile — neben dem lärmigen N-Wort, das durch Rap und Hiphop ja auch in unserer deutschen Wahrnehmung legitimierenden kulturellen Rückenwind bekommt — eine gelassenere oder selbstbewusstere positive Aufwertung erfährt (ähnlich wie “schwul” in den letzten Jahrzehnten, das inzwischen ja sowohl selbstverständlich als auch positiv als auch immer noch und wieder neu negativ gebraucht werden kann): Das sollte man bei Gelegenheit mal unter Afrodeutschen erkunden.

    2. @Frank Heibert: Danke für diese Hintergründe. Zu dem Postscriptum fällt mir folgendes ein: Die afrodeutsche Community (vor allem im Zusammenhang mit der Blackface-Debatte und der Debatte um die sprachliche “Bereinigung” von Kinderbüchern gesellschaftspolitisch in Erscheinung getreten) scheint mir den N-Begriff im Großen und Ganzen abzulehnen. Sie lehnt das Wort selbst nicht nur ab, sie schreibt und spricht es auch nicht aus und bevorzugt analog zum Englischen die abgekürzte N-Variante. Eine positive Umwertung – wie im Falle von “schwul” – scheint mir das N-Wort nicht zu erleben, außer vielleicht in bestimmten Rap-Registern. Die oben genannte Community ist durch einen postkolonialen linken politischen Konsens geprägt und steht deswegen nicht notwendigerweise für die sehr viel größere, nicht organisierte afrodeutsche Community. Nach allem, was ich aber bisher in persönlichen Gesprächen mit schwarzen Menschen erfahren habe, weist man die Fremdbezeichnung durch das N-Wort entschieden zurück. (In diesem Zusammenhang fallen mir auch der “faggot” und die “Schwuchtel” ein, die durchaus als schwule Selbstbezeichnung Verwendung finden, deren Nutzer eine Fremdbezeichnung mit eben diesen Wörtern aber auch entschieden zurückweisen.)

  3. Zunächst wäre meines Erachtens Literatur und Alltag zu differenzieren. Literatur an der Umgangsprache zu messen, ist zwar aus moralischer Sicht wieder aktuell geworden, aber ich könnte nicht erkennen, dass dies von Belang wäre. Vor diesem Hintergrund kann ich die Überlegungen von Frank Heibert gut verstehen: das Original ist bei einer Übersetzung relevanter, als die umgangssprachliche Bedeutung von Worten in der Sprache, in die übersetzt wird. Auch im Deutschen ist übrigens “Neger” nicht per se eine Beleidigung, sondern vom Kontext abhängig. Eine allgemeingültige Aufladung könnte ich nicht nachvollziehen. Aber in Deutschland bestand seit je her eine Tendenz, alles möglichst sozial “richtig” zu machen, Konventionen viel zu wichtig zu nehmen.

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    Hartmut Finkeldey 19. April 2016 um 19:14

    Hallo,

    bereits in Henny Kochs 1890er Übersetzung von Twains Huckleberry Finn taucht das besagte Wort auf, meines Wissens. Beleg: http://gutenberg.spiegel.de/buch/huckleberry-finns-abenteuer-und-fahrten-1670/1

    Definitiv bekannt, und auch damals schon massiv abwertend, war es in der Weimarer Republik.

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      Hartmut Finkeldey 19. April 2016 um 19:18

      Ich meinte jetzt das noch schlimmere Wort. “Neger” war schon Kant geläufig.

  5. Tom Saywer und Huck Finn ist das passende Stichwort: Wie sieht Frank Heibert die Übersetzung dort? Eierte man dort beim N-Wort rum, so wäre doch der Kontrast zwischen Tom und Huck einerseits und der Umwelt andererseits entschärft.
    Gerade damit, dass die Beiden Jim Jim, also bei seinem Namen nennen, und eben nicht “N…” wie alle anderen, sagt Mark Twain etwas aus. Diese Aussage würde ein “korrekt” übersetzter Text verlieren. Oder sehe ich da etwas falsch?
    (Wobei mir auch das Argument geläufig ist, Jim sei ja nur der Name, den ihm ein Sklavenhändler gab). Schwierig. Aber eben weil schwierig nicht tauglich für moralisch eindeutigen Schaum vor dem Mund.

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  6. Frank Heibert 20. April 2016 um 11:57

    Wie spannend diese Frage auch in der Literaturgeschichte ist, zeigen ja die vorherigen Kommentare — danke! Ich finde Herwig Finkeldeys Argumentation absolut schlüssig; Twains sprachliche Gestaltung ist ein impliziter Positionsbezug zur Rassismusfrage, und den darf man nicht ignorieren und “stubenrein” machen. Auch wenn Twain nicht primär über Rassismus schreiben wollte, bildet er etwas Diesbezügliches aus seiner Zeit ab, das heutige Leser auch wahrnehmen (dürfen) sollen. Natürlich übersetzen wir mit der Sprachsensibilität von heute und mit sorgfältiger Reflexion über eine angestrebte Wirkungsäquivalenz. Wenn zu dej kulturellen Unterschieden aber noch ein zeitlicher, historischer Abstand kommt, wäre es illusorisch, eine Wirkung erzielen zu wollen, die der angenommenen Wirkung auf die Leser “damals” äquivalent wäre. Heutige Leser von älteren Texten wissen, dass sie etwas über vergangene Zeiten erfahren (und wollen vermutlich auch genau das); die heutige sprachliche und politische Sensibilität reagiert dann zwar vielleicht allergisch auf früher selbstverständliche, heute z.T. schwer erträgliche Formulierungen — aber doch wohl hoffentlich nicht mit einer Kritik an der Formulierung, sondern an den Zuständen, für die die Formulierung steht.
    Kurz, keine Angst vor “bösen” Worten, wo sie ein Stück Wirklichkeit abbilden, zu dem man sich verhalten kann und soll (das ist ja etwas Anderes als affirmative Meinungsäußerungen). Diese Herausforderung an die denkenden Leser macht es doch gerade spannend. Und, wieder aufs Übersetzen zugespitzt: Es käme mir unsinnig vor, hier aus vorauseilender Rücksicht auf die (damit unterschätzten) Leser sprachlich zu purgieren oder zensieren.

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  7. Und was hinderte ihn daran, das Wort “Negro” unübersetzt zu lassen, da es – was ja niemand bestreitet – keine deutsche Übersetzung mit positiver Konnotation gibt, das N-Wort also schlicht eine Falschübersetzung ist, aber sehr wohl eine deutsche Rezeption des Fremdworts? Genau so, wie niemand Baby, Rock’n’Roll, Soul oder Internet “übersetzt”? Wer letzteres als “Weltnetz” bezeichnet, macht sich im heutigen Deutschland kenntlich.

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    1. Frank Heibert 20. April 2016 um 12:44

      Das ist allerdings schnell beantwortet. “negro” hat, wie ausgeführt, ja changierende Konnotationen, zwischen abwertend und, je nach Kontext und historischem Zeitpunkt der Verwendung, ‘unschuldig’. Das deutsche “Neger” kriegt das, wenn der Kontext entsprechend gebaut ist, wohl auch hin. Dass deutschen Lesern aber spontan klar sein sollte, welche changierenden Konnotationen “negro” im Englischen hat (die man auf diesem Wege ins Deutsche importieren will), bezweifle ich. Die erste Reaktion wäre, vermute ich, Irritation über ein nicht übersetztes Wort, für das es doch (auf den ersten Blick) eine Übersetzung gibt, die nicht weltfremd wirkt (wie “Weltnetz”). Die hergestellte Analogie zu Baby, Rock’n’Roll, Soul und Internet funktioniert für mich nicht, weil der Gebrauch von “negro” ein anderer und im Kontext komplexerer ist.
      Oder nochmal anders gesagt: Mit “negro” könnte man genausowenig garantieren, dass die changierenden Konnotationen alle sicher verstanden werden, wie mit “Neger”, hätte sich aber zusätzlich noch die Irritation an Bord geholt, dass der Übersetzer hier anscheinend übersetzerisch ‘kneift’, ohne dass es einen erkennbaren Gewinn dadurch gibt. (Vergessen wir nicht: Es geht um literarische Prosa, nicht um einen Film- oder Songtitel.)
      Wobei die Idee (einen spezifischen Begriff als Fremdwort einzuführen) nicht grundsätzlich zu verwerfen ist, sie sollte im Einzelfall immer mit geprüft werden und zum Instrumentarium beim Übersetzen gehören. Nur hier erscheint sie mir nicht überzeugend.

    2. Anselm Bühling 20. April 2016 um 13:58

      Das Wort „Negro“ hat ja auch keine positive Konnotation. Es wurde einfach über lange Zeit als vermeintlich neutrale Bezeichnung verwendet, genau wie „Neger“ im Deutschen. Der größte Unterschied ist, dass „Neger“ wahrscheinlich kaum als Selbstbezeichnung verwendet worden ist. Das hat auch damit zu tun, dass es in Deutschland sehr viel weniger Schwarze gibt.
      Wäre es wirklich besser gewesen, das Wort „Negro“ unübersetzt zu lassen? Wenn eine Romanfigur in einem deutschsprachigen Text ihr Baby liebt, gern Rock’n’Roll tanzt und abends Soul hört, während sie im Internet surft, ist das ganz unauffällig, weil es sich um Wörter handelt, die aus dem Englischen ins Deutsche übernommen worden sind. Aber Sätze wie „Ein paar übriggebliebene Negroes haben durchgehalten – aber mit Hängen und Würgen“ oder „Er wurde der erste Negro, der auf hoher Ebene bei Bell Laboratories arbeitete“ würden sehr seltsam klingen und vor allem vermitteln, dass hier ein Übersetzer versucht, sich aus der Affäre zu ziehen, indem er das Wort mit spitzen Fingern anfasst. Dem Text hätte das nicht gut getan.

    3. Anselm Bühling 20. April 2016 um 14:19

      (Entschuldigung für die Redundanz in meinem vorigen Kommentar! Dass meine Argumentation die von Frank Heibert teilweise wiederholt, liegt daran, dass ich seinen Kommentar erst gesehen habe, nachdem ich meinen abgeschickt hatte.)

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