Richard Wolff kenne ich noch aus der alternativen Kulturszene der 1980er Jahre. Damals habe ich mit ihm im Kulturzentrum Rote Fabrik in Zürich Konzerte organisiert. Im Jahr 2013 wurde er über die alternative Liste in die Zürcher Stadtregierung gewählt, seitdem leitet er das Polizeidepartement mit einigem Geschick. Mitten im Wahlkampf zu seiner Wiederwahl sorgt er mit einer ungewöhnlichen Entscheidung für Aufregung.

Die Zürcher Stadtpolizei verzichtet in Zukunft darauf, die Nationalität von Delinquenten automatisch zu erwähnen. Das ist eine Konsequenz  aus dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz  – es kann  mir egal sein, ob meine Brieftasche von einem Marokkaner, einem Chinesen oder einem Bündner gestohlen wurde. Trotzdem laufen NZZ (hier und hier), Blick und die SVP dagegen Sturm: Von Bevormundung und Zensur ist die Rede.

Dazu ein kleines Gedankenexperiment: Angenommen, wir würden bei Personen, die mit dem Gesetz in Konflikt kommen, nicht die Nationalität, sondern den Musikgeschmack erwähnen und die Täter danach einteilen, ob sie zuhause Rock’n Roll, Helene Fischer oder Kantaten von Johann Sebastian Bach hören. Dann hätten wir Schlagzeilen wie „Heavy Metal-Fan erschlug seinen Nachbarn“ oder „Opernfreund fuhr mit 2 Promille auf der Gegenfahrbahn“. Vermutlich würden die Leser einen Kausalzusammenhang zwischen der Musik und der bösen Tat vermuten.  Als Gedankenspiel wäre das ganz lustig, aber in den allermeisten Fällen ist diese Verknüpfung Unsinn.

Tomas Bächli liebt Mozarts Musik. Christoph Blocher liebt Mozarts Musik. Damit enden die Gemeinsamkeiten. Genauso verhält es sich mit Personen, die dieselbe Nationalität besitzen. Es gibt Informationen, die für den Leser keinerlei Wert haben, es sei denn, er wolle seine Vorurteile bestätigen. Diese Informationen wegzulassen, ist kein Akt der Zensur, sondern der Vernunft.

Hut ab, Richard Wolff! Manchmal lohnt sich der Gang durch die Institutionen.

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Suspects
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Von Tomas Bächli

Pianist und Musikschriftsteller, lebt in Berlin.

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