Unsere kommentierte Liste mit Neuerscheinungen erscheint zweimal im Monat. Am 1. des Monats stellen wir jeweils zehn Sachbücher vor, am 15. des Monats zehn Belletristik-Titel. Die Auswahl folgt unserer Neugier. Haben wir das Wichtigste übersehen? Dann lassen Sie es uns bitte wissen!

Jahrestage: Jane Austen, 200. Todestag am 18.7.2017

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Jane Austen
Vernunft und Gefühl

Roman
Aus dem Englischen von Andrea Ott
Mit einem Nachwort von Denis Scheck

Nun feuerten sich die beiden in ihrem Schmerz gegenseitig an. Der Gram, der sie anfangs überwältigt hatte, wurde aus freien Stücken aufgefrischt, gesucht, immer wieder wachgerufen. Sie überließen sich gänzlich ihrem Kummer, zogen aus jedem Gedanken, der sich dafür anbot, eine Steigerung ihres Leids und waren entschlossen, sich nie und nimmer trösten zu lassen.

Neuübersetzung des Klassikers Sense and Sensibility. Zwei ungleiche Schwestern verlieben sich unglücklich – jede auf ihre Art.

Manesse Verlag, 416 S., 26,95 Euro
(Erschienen im März 2017)
In der Buchhandlung Ihres Vertrauens (oder bei Amazon, buecher.de)


Jane Austen
Mansfield Park

Roman
Aus dem Englischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié

Ich will nicht behaupten, dass sie so liebreizend würde wie ihre Cousinen. Das bestimmt nicht; aber sie würde in die Gesellschaft dieser Gegend unter so glücklichen Vorzeichen eingeführt, dass sie, nach allem, was wir voraussagen können, gut unterkäme. Sie haben Bedenken wegen Ihrer Söhne – aber sehen Sie denn nicht, dass so etwas gerade dann am unwahrscheinlichsten ist, wenn sie gemeinsam aufwachsen wie Bruder und Schwester? Dann kann es ja gar nicht geschehen. Ich habe nie von einem Fall gehört. Ja, es ist sogar die einzig verlässliche Methode, eine solche Verbindung zu verhindern.

Neuübersetzung von Jane Austens drittem Roman. Hauptfigur ist Fanny Price, die als Neunjährige in den wohlhabenden Haushalt ihrer Tante kommt, dort mehr geduldet ist als willkommen – und die Charakterstärke zeigt in den Intrigen und Kabalen von Mansfield Park.

S. Fischer, 576 S., 22 Euro
(Erscheint am 22. Juni 2017)
In der Buchhandlung Ihres Vertrauens (oder bei Amazon, buecher.de)


Holly Ivins
Jane Austen
Eine Entdeckungsreise durch die Welt

Aus dem Englischen von Sabine Roth

Apropos: Schon damals fragten sich viele Leser, ob Austens Figuren lebende Menschen zum Vorbild hatten – ob es einen echten Mr Darcy oder eine echte Elizabeth Bennet gab. Janes Familie wies derlei Spekulationen konsequent zurück: Sie wolle „erschaffen, nicht reproduzieren“, und sei zu stolz auf ihre Gentlemen, um sich mit dem bloßen Abbild eines Mr A oder Oberst B zu begnügen.

Wie ging es zu in den Herrenhäusern, in denen Jane Austens Romane spielen? Wie kleidet man sich als Dame, und wie macht ein Gentleman einer Dame den Hof? Holly Ivins schildert den Alltag in der Regency-Zeit, die sozialen Dos and Don’ts der Salonwelt und die Lebensstationen von Jane Austen.

Deutsche Verlags-Anstalt, 240 S., 14,99 Euro
(Erschienen im April 2017)
In der Buchhandlung Ihres Vertrauens (oder bei Amazon, buecher.de)


Meine Familie und ich

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Gerhard Henschel
Arbeiterroman

Roman

Unser Alltag sei ihr „irgendwie zu einförmig“, sagte Andrea, aber er hätte schlimmer sein können. Täglich ein paar Stunden Arbeit in der Spedition (ich) bzw. als Babysitterin und Putzfrau (Andrea), im übrigen viel freie Zeit fürs Schreiben, Lesen und Klavierspielen (ich) bzw. für die Beschäftigung mit Astrologie und Bauchtanz (Andrea), morgens Brötchen, mittags Müsli, nachmittags Tee und am Abend was Warmes, vielleicht ein Spaziergang oder ein Kinobesuch, in Ausnahmefällen auch mal ein Fernsehkrimi und zu gegebener Zeit Sex.
Was sollte falsch an einem solchen Leben sein? Mir fehlte nichts zum Glück außer einem Verlag. Und mehr Geld für Bücher.

2004 begann Gerhard Henschel mit seinem autobiografischen Großprojekt, der Martin-Schlosser-Chronik. Nun sind wir, nach 3500 Seiten, beim 7. Band angelangt. Er beginnt 1988 in Oldenburg. Martin versucht, als Schriftsteller Fuß zu fassen und erlebt die Wendejahre aus der Sicht der Normalität der westdeutschen Provinz.

Hoffmann & Campe, 528 S., 25 Euro
(Erschienen im Februar 2017)
In der Buchhandlung Ihres Vertrauens (oder bei Amazon, buecher.de)


Birk Meinhardt
Brüder und Schwestern.
Die Jahre 1989-2001

Roman

Erik ging ein paar Meter nach rechts, an einem französischen Spruch vorbei, der mit dem Wort Boum endete. Nach noch ein paar Metern las er, Wusel komm rüber, und zur Fluchthilfe war passenderweise gleich daneben ein Loch gemalt, so plastisch sah es aus, als könnte man wahrhaft problemlos hindurchschlüpfen. Plötzlich begriff Erik, daß er all die Jahre davon ausgegangen war, die Mauer wäre auf ihrer Westseite ebenso grau und kahl wie auf der Seite bei ihm.

Der Roman beginnt in der Nacht des 9. November 1989 und begleitet die Familie Werchow auf dem Weg in die neue Gesellschaft. Nun geht es um die Generation der Kinder: Birk Meinhardt setzt damit den vor vier Jahren erschienenen ersten Band der Familienchronik fort, die im Jahr 1973 begonnen hatte.

Carl Hanser, 672 S., 26 Euro
(Erschienen im Februar 2017)
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Miljenko Jergović
Die unerhörte Geschichte meiner Familie

Roman
Aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert

Auf welcher Seite stand sie, was hat unsere Cousine Regina Dragnev 1941 bis 1945 gemacht? Hat die mit einem Bulgaren verheiratete Banatschwäbin mit dem Feind kollaboriert? Die Frage bereitete meinem Nano Bauchschmerzen, trotzdem suchte er nach ihr. Er war kein Held, hatte Fracksausen, es könnte eines Tages an seine Tür wummern und er verhört werden, warum er die Frau suche, ob er am Ende eine Konterrevolution anzetteln wolle?, aber er konnte nicht anders, die Suche war unverzichtbarer Teil seiner und unserer familiären Identität geworden.

Die autobiografische Familiensaga ist zugleich ein zeithistorisches Porträt der ehemaligen jugoslawischen Gesellschaft und eine Geschichte der Stadt Sarajevo. Anhand des Niedergangs der Familie Stubler zeigt der kroatische Autor mit vielen Exkursen und ohne Chronologie, wie es sich in einem Vielvölkerstaat lebt, wenn man zu den Zugereisten gehört: zu den „Anderen“.

Schöffling, 1044 S., 34 Euro
(Erschienen im März 2017)
In der Buchhandlung Ihres Vertrauens (oder bei Amazon, buecher.de)


Doku-Fiction

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Emmanuel Carrère
Ein russischer Roman

Aus dem Französischen von Claudia Hamm

Der Zug rollt, es ist Nacht, auf der schmalen Liegestatt schlafe ich mit Sophie, und diesmal ist es wirklich sie. Normalerweise sind die Partnerinnen in meinen erotischen Träumen schwer zu identifizieren, sie sind mehrere Frauen in einer und haben dennoch das Gesicht von keiner von ihnen, aber diesmal ist es anders, ich erkenne eindeutig Sophies Stimme wieder, ihre Worte und ihre gespreizten Beine.

Der Autor reist als Reporter in die russische Provinz: Er recherchiert das Schicksal eines ungarischen Kriegsgefangenen, der ein halbes Jahrhundert in der Psychiatrie von Kotelnitsch vergessen wurde. Doch dabei verstrickt Emmanuel Carrère sich in seine eigenen Geschichten: zum einen geht es um das Verschwinden seines aus Georgien emigrierten Großvaters, zum anderen um die Liebesgeschichte mit Sophie, die in einem Psychogramm seines eigenen selbstzerstörerischen Verhaltens mündet.

Matthes & Seitz, 282 S., 24 Euro
(Erschienen im April 2017)
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David Van Reybrouck
Zink

Aus dem Niederländischen von Waltraut Hüsmert

Innerhalb weniger Stunden in dem stillen Haus erfuhr ich, dass er nicht nur elf Kinder, sondern auch fünf Staatsangehörigkeiten und zwei Identitäten gehabt hatte. Ein sehr bewegtes und dabei alles andere als rosiges Leben. (…) Es gibt Menschen, in deren Körper die Geschichte so viele Linien zieht, kratzt und kerbt, dass still dasitzen, sobald es möglich ist, die einzige Wahl sein kann.

Anhand der Biografie eines Bewohners erzählt David Van Reybrouck (der Autor der Studie Kongo, 2012) die höchst bewegte Geschichte der Mikronation Neutral-Moresnet, vier Quadratkilometer groß, sieben Kilometer südwestlich von Aachen gelegen. Bedeutung hatte der Landfleck wegen des Abbaus von Zink. Es gab Pläne, in Neutral-Moresnet den ersten Esperanto-Staat der Welt auszurufen.

edition suhrkamp, 86 Seiten, 10 Euro
(Erschienen im März 2017)
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Nachgelassenes

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Szilárd Borbély
Kafkas Sohn

Prosa
Aus dem Ungarischen von Heike Flemming und Laszlo Kornitzer

Die osteuropäischen Diktatoren wollen die Menschen in den Wahnsinn treiben, weshalb sie die Stille verstaatlicht haben, die als ein Relikt der alten Welt gilt. Sie haben sie aus dem Verkehr gezogen, so wie die alten Geldscheine, auf denen die Fotos und symbolischen Gegenstände vorausgegangener Diktatoren abgebildet waren. Auch die Worte haben sie verstaatlicht, haben die alten abgeschafft und neue in Betrieb genommen. Die neuen Worte sind viel lauter, als es die alten gewesen sind.

Sein Roman Die Mittellosen (Suhrkamp, 2014) gehört zu den literarischen Ereignissen unserer Zeit. Als Szilárd Borbély sich im Februar 2014 das Leben nahm, war sein nächstes Prosawerk schon weit fortgeschritten. Aus dem Nachlass werden nun die Fragmente seines Kafka-Romans herausgegeben. Sein Interesse an Kafka sei fast bis zur Identifikation gegangen, so die Übersetzerin Heike Flemming in ihrem Nachwort. Borbély hatte sich in der Heimatlosigkeit und Verlorenheit von Kafkas Texten wiedererkannt.

Suhrkamp, 200 S. 24 Euro
(Erschienen im März 2017)
In der Buchhandlung Ihres Vertrauens (oder bei Amazon, buecher.de)


Peter Rühmkorf
Des Reiches genialste Schandschnauze
Texte und Briefe zu Walther von der Vogelweide

Herausgegeben von Stephan Opitz

Das Paradies ist mir verwehrt,
da steh ich nackt und ausgesperrt:
müßig, noch weiter an das Tor zu klopfen.
Erklär mir einer die verkehrte Welt:
Daß rechts und links von mir der Regen fällt,
und von dem Segen trifft mich nicht ein Tropfen!

Als „freundschaftlich-kollegiale Anverwandtschaft“ bezeichnet der Herausgeber Stephan Opitz im Vorwort die Nähe Peter Rühmkorfs zu Walther von der Vogelweide; Rühmkorf selbst nannte es „Versuch einer Nachstellung“. Die Auseinandersetzung mit dem acht Jahrhunderte früheren Dichter half Rühmkorf in den 1970er-Jahren, eine Schreibkrise zu überwinden. Der Band dokumentiert nicht nur die Übersetzung einer großen Zahl der Gedichte Walthers, sondern auch einen literaturwissenschaftlichen Essay sowie einen Briefwechsel mit dem Mediävisten Peter Wapnewski, bei dem sich Rühmkorf fachlichen Rat holte.

Wallstein, 280 S., 19,90
(Erschienen im Februar 2017)
In der Buchhandlung Ihres Vertrauens (oder bei Amazon, buecher.de)

Beitragsbild:
Schaufenster Buchhandlung Uslar & Rai, Berlin
Sieglinde Geisel
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Von Redaktion

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